Sensibilisieren, Aufklären, Multiplikator*innen schulen

Gäste beim Podium "Was tun gegen Antisemitismus in Dortmund"

Antisemitismus, woran erkenne ich ihn?

Offen formulierter Antisemitismus generiert sich aus jahrhundertealten Vorurteilen. „Der Jude“ als Wucherer, als Machtmensch oder als Verräter. Allerdings ist offen formulierter Antisemitismus in unserer Gesellschaft grundsätzlich verpönt. Immer öfter findet Antisemitismus deswegen in Form einer „Umwegkommunikation“ statt. Dabei werden Juden und Jüdinnen nicht explizit genannt, sondern mit Andeutungen und Chiffren gearbeitet. Die subtilen Varianten der antisemitischen Ressentiments sind auch innerhalb der Medien präsent. Dementsprechend ist Antisemitismus nicht immer leicht zu erkennen, deswegen gilt es umso wachsamer zu sein.

Wie kann ich (als Laie) angemessen auf Antisemitismus im Alltag reagieren?

Das wichtigste ist überhaupt zu reagieren. Sich klar gegen eine antisemitische Aussage zu positionieren und zu artikulieren, dass man nicht einverstanden ist, denn Schweigen kann unter Umständen als Zustimmung gedeutet werden. Dabei geht es nicht nur um die Person, die die Aussage getätigt hat, sondern auch um die Umstehenden. Schweigen kann immer als stille Zustimmung gedeutet werden. Bei pauschalen antisemitischen Phrasen, kann man außerdem durch kritisches Nachfragen (Wie ist das gemeint? Wie kommen Sie darauf?), die Aussage oftmals dekonstruieren.

Nimmt Antisemitismus heutzutage wieder zu?

Die Einstellungs- und Meinungsforschung geht von einem relativ konstanten Anteil antisemitischer Einstellungen (zwischen 15-und 20%) in Deutschland aus. Gleichzeitig haben die antisemitisch motivierten Straftaten in den letzten Jahren zugenommen. Hinzu kommt, laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), eine hohe Dunkelziffer, weil antisemitische Übergriffe nicht immer von den Betroffenen angezeigt werden.

Was aus meiner Perspektive zunimmt ist, dass Menschen zugänglicher werden für krude und antisemitische Verschwörungsnarrative. Ein klares Feindbild als einfache Erklärung für komplexe gesellschaftliche Entwicklungen, wird nach meinem Gefühl immer attraktiver. Tatsache ist, Antisemitismus bleibt ein weit verbreitetes Phänomen.

An welcher Stelle setzt das Projekt "Objektiv" an?

Das Projekt Objektiv hat den Fokus auf Antisemitismus in den Medien. Medien haben in der Verbreitung von Antisemitismus schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Durch social Media haben sich die Reichweite und die Verbreitungswege für menschenfeindlichen Content enorm erweitert. Gleichzeitig ist die Mediennutzung ein zentraler Bestandteil des Alltags junger Menschen.

Das Projekt orientiert sich an der Alltagswelt junger Menschen um das Thema Antisemitismus zugänglich zu machen. In den Workshops soll gemeinsam mit den Jugendlichen der Blick dafür geschärft werden, inwiefern verschiedene Medienformate antisemitische Stereotype reproduzieren. Die Teilnehmenden sollen Instrumentarien an die Hand bekommen um Antisemitismus erkennen und kritisch reflektieren zu können.

Mit welchen Methoden arbeitet das Projekt

Aufgrund des medienpädagogischen Ansatzes des Projekts sind Bilder, Karikaturen, aber auch online-Kommentare und Posts (eingebunden in verschiedene Methoden) zentraler Baustein der Workshops. Sie sollen sowohl die historische Kontinuität als auch die Aktualität von Antisemitismus aufzeigen.

Darüber hinaus wurden im Rahmen des Projekts mehrere Projektfilme erstellt, die sich mit Antisemitismus auseinandersetzen. Die Konzeption und Erstellung der Filme übernahmen dabei maßgeblich die Teilnehmenden selbst, eine Gruppe Jugendlicher und junge Erwachsener mit und ohne Migrationshintergrund aus alevitischen, türkischen und jüdischen Gemeinden.

Aber auch verschiedene Begegnungsformate (Zeitzeug*innengespräche/ Jugendaustausch) und Exkursionen in Gedenkstätten sind Teil der Projektarbeit.

In wie fern profitierst du vom Netzwerk gegen Antisemitismus in Dortmund?

Grundsätzlich halte ich es für wichtig sich einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen wie Antisemitismus mit breiter ziviler Front entgegenzustellen.

Das Netzwerk ermöglicht außerdem die Reflektion nach innen: wie stehen wir zu viel diskutierten Themen wie der BDS-Kampagne oder anderen Fragen. 

Die unterschiedlichen Organisationen und Initiativen kommen in unterschiedlichen Kontexten mit Antisemitismus in Kontakt. Der Austausch der Perspektiven auf das Thema ist sehr bereichernd. Nach außen kann man gemeinsam ein breiteres Publikum ansprechen und mehr Öffentlichkeit für das Thema schaffen.

 

Im Gespräch mit

Larina Kleinitz leitet das Projekt "Objektiv - Junge Medienmacher mit Durchblick" beim Multikulturellen Forum. Mit speziell entwickelten Workshop-Formaten richtet sich das Projekt an junge Menschen. Ziel ist es, den Blick dafür zu schärfen, inwiefern und auf welche Weise in verschiedenen Medienformaten jüdische Klischees, Stereotype, Vorurteile und Antisemitismen verbreitet werden.

Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie Leben" durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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