Abschiebungen in NRW – Dokumentation und Widerstand (Lesung und Diskussion in Hamm)

Sascha Schiessl (Mann mit Glatze, Bart und Brille) sitzt an einem Tisch und hält die Unterarme hoch. Vor ihm steht ein Tisch mit Unterlagen und einer Getränkeflasche darauf.

Das Netzwerk der Asylverfahrens- und Flüchtlingsberatungen in Hamm hat zur Lesung und Diskussion über das Thema Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen in die Christuskirche eingeladen. Im Mittelpunkt stand das Buch "Abschiebungen in NRW – Ausgrenzung, Entrechtung, Widerstände" von Sascha Schiessl und Sebastian Rose, das zahlreiche Missstände und Härten der Abschiebepraxis dokumentiert.

Die Veranstaltung bot eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen und den Auswirkungen von Abschiebungen auf die Betroffenen. Die Autoren berichteten eindringlich über rechtswidrige Abschiebungen, die Entrechtung Schutzsuchender und den Widerstand der Zivilgesellschaft gegen eine zunehmend restriktive Abschiebepolitik.

 

Zwei Männer sitzen nebeneinander, beide tragen schwarze Pullover: Sebastian Rose (links) hat braune Haare und einen Bart und blickt zu Boden. Sascha Schiessl (rechts) hat einen braunen Bart, eine Glatze und eine Brille. Er schaut zum linken Bildrand.
Die Autoren Sascha Schiessl und Sebastian Rose stellten ihr Buch "Abschiebungen in NRW – Ausgrenzung, Entrechtung, Widerstände" vor.  



Betroffene Schicksale im Mittelpunkt

Die Veranstaltung machte deutlich, dass hinter jeder Abschiebung ein individuelles Schicksal steht. Unter anderem wurde der Fall einer 68-jährigen psychisch kranken Frau aus Solingen beleuchtet, die trotz bevorstehender stationärer psychiatrischer Behandlung abgeschoben wurde. Ebenso wurde die Abschiebung von Abdullohi Shamsiddin aus Dortmund nach Tadschikistan thematisiert, der nach seiner Ankunft eine siebenjährige Haftstrafe erhielt – eine offensichtlich politisch motivierte Entscheidung.

Auch das Schicksal der sechsjährigen Anisha aus Schwerte rührte viele
Teilnehmende: Ihre Familie wurde mitten in der Nacht aus ihrer Wohnung geholt, ohne Vorbereitungszeit. Das Kind litt massiv unter der plötzlichen Abschiebung und übergab sich vor Angst mehrfach auf dem Weg zum Flughafen. Ein weiteres Beispiel stellte die Abschiebung der schwer geistig behinderten Muradija N. aus Gelsenkirchen dar, die nach 20 Jahren Aufenthalt in Deutschland mit ihrer Familie in den Kosovo abgeschoben wurde – ohne jede soziale Absicherung.

Kritik an der Abschiebepolitik

Neben den geschilderten Einzelschicksalen stand die politische Dimension der Abschiebungspraxis im Fokus. Otmar R. warnte vor einer „terrible simplification: Abschieben, damit keine Toten durch Anschläge mehr zu beklagen sind.“ Gleichzeitig betonte er: „Es geht um Menschen, es geht um Schicksale.“

Eine Frau mit kurzen Haaren und einer Brille trägt einen Wollpulli und hält sich mit beiden Händen ein Mikrofon vor den Mund. Sie sitzt auf einem Stuhl vor einer Wand mit Bildern.
Auch die Sprecherin des Netzwerks der Asylverfahrens- und Flüchtlingsberatungen mahnte vor kritischen Zuständen für Menschen mit Fluchtgeschichte. 

 


A. Y., Sprecherin des Netzwerks der Asylverfahrens- und Flüchtlingsberatungen, hob hervor: „Menschen, die zu uns gekommen sind und tief integriert sind, haben inzwischen Angst vor Abschiebungen.“ Sie kritisierte, dass Kürzungen im Integrations- und Flüchtlingsberatungsbereich kontraproduktiv seien und lediglich Unsicherheit anstelle von Sicherheit schafften.

Sascha Schiessl unterstrich die Dramatik mit der Aussage: „Jeden Tag werden 10 Kinder aus Deutschland abgeschoben.“ Sebastian Rose ergänzte: „Auch nach Jahrzehnten können Menschen noch abgeschoben werden. Das zeigt, wie willkürlich und unvorhersehbar diese Praxis ist.“

Forderung nach einem Umdenken

Die Veranstaltung machte deutlich, dass Abschiebungen häufig als Symbolpolitik genutzt werden, ohne nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu bieten. Der Satz „Abschiebungen sollen Handlungsfähigkeit suggerieren“ fiel mehrfach an diesem Abend und verdeutlichte die politische Kritik.

Das Netzwerk der Asylverfahrens- und Flüchtlingsberatungen fordert ein sofortiges Umdenken und die Entwicklung humaner Alternativen. Statt Unsicherheit und Angst zu verbreiten, müsse Integration gefördert und Schutzsuchende tatsächlich geschützt werden.

Weitere Informationen:
www.abschiebungsreporting.de

Kontakt für Rückfragen:
Netzwerk der Asylverfahrens- und Flüchtlingsberatungen in Hamm
E-Mail: mk@fluechtlingshilfe-hamm.de
Telefon: 02381-426 60 43

 

Locations