Jugendliche begleiten Kommunalwahlen in Lünen

Du hast die Wahl
Im Rahmen unseres Projekts "LüniPa - Lünen integriert durch Partizipation" haben wir uns mit Schülerinnen und Schülern des Lippe-Berufskollegs in Lünen intensiv mit dem Thema "Kommunalwahlen" beschäftigt.
Begonnen hat alles an einem sonnigen Tag im Juli. Wir treffen uns mit einigen Jugendlichen im Park, um uns gegenseitig kennenzulernen, unser Projekt LüniPa vorzustellen, und gemeinsam mit ihnen die Zusammenarbeit für die nächsten Monate auszuloten. Mit dabei ist Kübra Kenger von unserer Integrationsagentur in Lünen. Sie wird uns in den nächsten Wochen fortwährend mit der Kamera begleiten und unser Vorhaben um einige schöne Videos bereichern.
Kooperation mit dem Lippe-Berufskolleg
Kübras erfolgreiche Netzwerkarbeit ist es schließlich auch zu verdanken, dass wir gemeinsam im Freien sitzen und uns unterhalten. In ihrer Funktion als Integrationsagentur nahm sie Kontakt mit dem Lippe-Berufskolleg in Lünen auf und arrangierte ein Treffen mit Dörte Sancken.
Frau Sancken ist u.a. für die Internationalen Förderklassen zuständig. Diese richten sich gezielt an geflüchtete Jugendliche, die erstmals eine deutschsprachige Schule besuchen und nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht in einer Regelklasse verfügen.

Unserem Projektvorhaben gegenüber zeigte sich Dörte Sancken sehr aufgeschlossen und stellte uns sogar Unterrichtszeiten zur Verfügung, damit wir unsere Ideen ausführlich umsetzen können. Noch vor den Sommerferien stellten wir uns in der Klasse vor, und vereinbarten schließlich das besagte Treffen im Park.
Verschiedene Bedarfe
"Was sind Eure Wünsche und Ideen?" fragen wir die jungen Menschen, die vor wenigen Jahren mit ihren Familien aus Ländern wie Syrien oder Eritrea nach Lünen kamen. Die Antworten sind so vielfältig wie die Jugendlichen selbst und reichen von sportlichen über künstlerisch-kreative Aktivitäten bis hin zu Begegnungsmöglichkeiten, etwa mit anderen Jugendlichen oder Menschen aus anderen Religionen.
Der Spielraum, in dem wir uns in den kommenden Monaten beschäftigen werden, ist also sehr groß. Dies entspricht aber auch unseren Erwartungen an das Projekt, das jungen Menschen ja gerade darin unterstützen möchte, verschiedenste Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort aufzuspüren, kennenzulernen und zu nutzen.

Partizipation bedeutet für uns aber nicht nur "dabei sein" und "mitmachen", sondern auch "mitreden" und "mitbestimmen". So kommen wir schnell auf das Thema "politische Teilhabe", was in diesem Spätsommer in Lünen und ganz NRW eine große Rolle spielen wird. Denn am 13. September finden die landesweiten Kommunalwahlen statt. Und natürlich werden wir auch diese wichtige Form politischer Partizipation vor Ort mit unseren Jugendlichen behandeln.
Also geben wir den jungen Menschen folgende Aufgabe: Jede*r von ihnen soll jeweils einen Wunsch, den er/sie am wichtigsten findet, an die Kommunalpolitik richten, und sie so zu einer Reaktion veranlassen. Gesagt, getan - unser erstes Video ist im Kasten:
Im Vorfeld zur Themenreihe "Kommunalpolitik" trafen wir uns mit den Jugendlichen im Park, um ihre Wünsche und Erwartungen einzufangen.
Dialog mit der Kommunalpolitik
Die Reaktion der Politik kommt prompt: Nachdem wir das Video auf unserem Instagram-Kanal "Stories von hier" posten, erhalten wir wenige Tage später eine Videobotschaft von Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns. Darin lobt er das Engagement der Jugendlichen, geht im Detail auf verschiedene Aspekte ein und lädt uns anschließend noch zu seinem Infostand in der Innenstadt ein.

Die Erkenntnis der Jugendlichen: Unsere Botschaft ist angekommen - Wir werden ernst genommen - Uns wird zugehört und wir erhalteb sogar Antworten.
Das Eis ist gebrochen. Immer mehr Schüler*innen trauten sich nun vor die Kamera, um ihre Wünsche, aber auch ihre Sorgen und Ängste zu formulieren.
Natürlich belassen wir es nicht beim Dialog mit dem Bürgermeister. Es stehen ja schließlich Kommunalwahlen an, und da haben Andere sicherlich auch etwas zu sagen. Also laden wir die Bürgermeisterkandidaten ins Lippe-Berufskolleg ein, und wieder haben wir Erfolg: Zwei von drei Kandidaten sagen sofort zu.
Mit beiden sprechen wir gut eine Stunde lang über die Probleme in der Stadt, stellen Fragen an die Kandidaten, diskutieren Lösungsmöglichkeiten. Kommunalpolitik hautnah, aber natürlich mit Maske:
Unter anderem besuchte uns der Landtagsabgeordnete und Bürgermeisterkandidat Rainer Schmeltzer (SPD) und wir diskutierten mit ihm über verschiedene Problemlagen vor Ort.
Kommunalpolitik von und für Migrant*innen
Der Dialog mit dem Bürgermeister und den Bürgermeisterkandidaten war sehr spannend und aufschlussreich. Doch Kommunalpolitik wird ja schließlich nicht von Einzelpersonen an der Verwaltungsspitze aus betrieben. Deshalb schauen wir uns in der Folgewoche den Rat der Stadt genauer an.
Der Stadtrat beschließt durch Mehrheitsentscheidungen, welche Vorschläge des Bürgermeisters sie für richtig oder falsch hält. Zudem bringt er Vorschläge aus der Stadtbevölkerung in den Entscheidungsprozess ein. Doch wer sind die Leute, die diese wichtigen Entscheidungen treffen? Welche Ziele verfolgen sie im Einzelnen? Und welche persönliche Biografie bringen sie mit?
In der Auseinandersetzung damit steht eine Frage immer wieder im Mittelpunkt: Vertreten die Ratsmitglieder auch unsere Interessen? Kennen Sie die Bedarfe von zugewanderten Menschen? Haben sie möglicherweise auch eigene Migrationserfahrungen?
Unser Fazit: Ja, es gibt sie, migrantisch geprägte Kommunalpolitiker*innen, doch sie sind wie überall im Land auch in dieser Stadt deutlich in der Unterzahl. Diejenigen, mit denen wir gesprochen haben, bedauern dies sehr und wünschen sich mehr politische Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie appellieren an die jungen Menschen: Geht Wählen! Aber engagiert Euch auch selbst in der Kommunalpolitik! Nur so verschafft Ihr Euch Gehör und könnt mitbestimmen!
Unter anderem besuchten wir das Rathaus in Lünen und trafen dort die Integrationsbeauftragte der Stadt, Aysun Aydemir.
Die verschiedenen Dialoge ermutigen unsere Jugendlichen, sich mehr einzubringen, auch politisch. Und wie wichtig es ist, wählen zu gehen, haben sie längst verstanden. An einer Sache allerdings bleiben wir immer wieder hängen, und wir bekommen diesen Knoten auch bis zum Schluss nicht gelöst:
"Von allen Seiten bekommen wir zu hören: Engagiert Euch! Geht Wählen! Eure Stimme zählt! Und dann müssen wir immer wieder sagen: Nein, wir dürfen nicht wählen"
Die Tatsache, dass Menschen, die seit vielen Jahren hier leben, auf kommunaler Ebene noch immer nicht wahlberechtigt sind, liegt wie Blei auf unseren Anstrengungen, junge Geflüchtete und Migrant*innen gemäß dem Motto "integriert durch Partizipation" zu empowern.
Natürlich beschäftigen wir uns in der letzten Woche der Kommunalwahlen auch noch ausgiebig mit dem Integrationsrat, dem politischen Beratungsgremium, das sich im Speziellen um die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund kümmert.
Am Ende kann der Eindruck nicht gänzlich ausgeräumt werden, dass sie mit ihrer Stimme eben doch nur den Platz am Katzentisch beanspruchen. Doch klar bleibt auch: Diese jungen Menschen sind nun politisch sensibilisiert, und ihre Stimmen werden lauter.