Nicht nur „die mit dem Kopftuch"

Studentin mit Kopftuch wird im Hörsaal gefilmt

Wird in Deutschland über den Islam gesprochen, so geschieht dies häufig in einem negativen und problemzentrierten Bezugsrahmen. Die immer wieder (re-)produzierten Stereotype verstärken bestehende antimuslimische Ressentiments in der Gesellschaft – und legen zuweilen auch den Grundstein für Gewaltverbrechen, wie den Mord an der ägyptischen Pharmazeutin und Handballnationalspielerin Marwa El-Sherbini, die am 1. Juli 2009 aus rassistischen und muslimfeindlichen Motiven im Landgericht Dresden mit 18 Messerstichen ermordet wurde.

Anlässlich des Tags gegen antimuslimischen Rassismus, der seitdem am 1. Juli begangen wird, zeigen wir auf Instagram (@storiesvonhier) muslimische Perspektiven und informieren rund um das Thema. Denn rassistische Denkmuster gegenüber Musliminnen sind kein Randphänomen, sondern schon lange in der gesellschaftlichen Mitte verankert. Eine aktuelle repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Religionsmonitors 2019 offenbarte, dass 52 % der Gesamtbevölkerung der Aussage „Der Islam ist bedrohlich.“ zustimmten.

Diese Grundhaltung bekommen auch junge Muslim*innen in ihrem Alltag zu spüren. Diese Erfahrung hat auch Nisa S. gemacht: In ihrem Interview @storiesvonhier hat die 22-jährige uns erzählt, wie sich das Verhalten von Freund*innen und Lehrer*innen veränderte, als sie begann ein Kopftuch zu tragen: „Leider habe ich seitdem überwiegend schlechte Erfahrungen gemacht. Das fängt damit an, dass mir nicht geglaubt wird, dass ich das Kopftuch aus Eigeninitiative trage, und endet damit, dass man im eigenen Freundeskreis keine Akzeptanz mehr erfährt.“ Sie selbst fühle sich ganz selbstverständlich sowohl deutsch als auch türkisch als auch muslimisch: „Es ist doch ein gesellschaftliches Problem, wenn die anderen in mir nur ‚die mit dem Kopftuch’ sehen,“ fasst die Lehramtsstudentin der Fächer Germanistik und islamische Theologie zusammen. Eine Fächerkombination, die offenbar noch immer viele irritiert, die für Nisa aber schlicht ein Ausdruck ihrer Persönlichkeit ist.

Blick auf das Kameradisplay während Filmaufnahmen

Entstanden ist die Idee für die Videos in dem Projekt „Muslime im Dialog: Verbunden – Vernetzt – Selbstbestimmt", mit dem das Multikulturelle Forum antimuslimischem Rassismus entgegenwirken will. Gemeinsam mit der Integrationsagentur Lünen/Bergkamen interviewten die Projektleiterinnen junge Menschen aus der Region. „Wir möchten Musliminnen und Muslime als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft in den Fokus nehmen und mit dazu beitragen, dass ihre vielfältigen Stimmen, Erfahrungen und Perspektiven zu gesellschaftlichen Diskursen und Fragen des Miteinanders gehört und gesehen werden,“ betonen die Projektleiterinnen Elif Gömleksiz und Larina Kleinitz. Durch interaktive und kreative Workshops im schulischen und außerschulischen Kontext regt das Projekt muslimische und nicht-muslimische Jugendliche zu einer kritischen Auseinandersetzung mit (eigenen) Stereotypen und Vorurteilen an und fördert einen wertschätzenden interkulturellen und interreligiösen Dialog. Gleichzeitig geht es dem Projekt um eine stärkere Partizipation von jungen Muslim*innen in der Gesellschaft. „Wir freuen uns, wenn viele junge Menschen mitmachen möchten – ob aktiv im Projekt oder zum Beispiel auf Instagram. Nicht umsonst heißt unser Kanal ‚stories von hier‘.“

Das Projekt "Muslime im Dialog" wird im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert.