Prekäre Beschäftigung - Geflüchtete und Migrant*innen besonders gefährdet
Beratung (nicht nur) für Erwerblose
Seit mehr als drei Jahren ist das Multikulturelle Forum Träger einer durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales geförderten Erwerbslosenberatungsstelle. Hier können sich erwerbslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen zu beruflichen Perspektiven, Bewerbungsverfahren, Sozialleistungsansprüchen und weiteren Fragen beraten lassen.
Fast 800 Menschen nahmen im vergangenen Jahr das Angebot wahr, Tendenz steigend. Über 90 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund.
Meist handelt es sich um anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutz, aber auch immer mehr EU-Bürger*innen, die Leistungen nach SGB II und SGB III beziehen oder Anspruch auf diese Leistungen haben. Diese Gruppen bringen einerseits (migrations-)spezifische Fragestellungen und Problemlagen sowie andererseits geringe Sprachkenntnisse, besonders im Bereich der Schriftsprache, mit.
"Sie suchen uns meistens auf, weil sie nicht wissen, welche Leistungen ihnen zustehen, oder wie sie diese beantragen können", erklärt Beraterin Anja Mölders.
Auch bei laufenden Verfahren herrsche oft Unklarheit, etwa weil Formulare, Anschreiben oder Aufforderungen von Ämtern nicht verstanden werden, ergänzt die Erwerbslosenberaterin. Die Beratungsstelle fungiert in diesen Fällen sowohl als Informations- als auch als Mittlerstelle zwischen Behörden und Leistungsbeziehenden.
Anfällig für ausbeuterische Strukturen
Doch nicht alle Ratsuchenden sind auf der Suche nach Arbeit. Etwa jede*r Fünfte von ihnen bezieht aufstockende Leistungen nach dem SGB II. Das bedeutet, sie haben bereits Arbeit gefunden, können ihren Lebensunterhalt aber nicht über ihren Lohn sichern.
"Im Laufe der Beratungsgespräche kommen dann oft weitere Fragen auf, zur Entlohnung, Arbeitszeit, Krankenversicherung, zu Urlaubsregelungen oder zum Kündigungsschutz", sagt Anja Mölders.
Nicht selten stellt sich dann heraus, dass der Arbeitgeber nicht rechtskonform handelt. So werden Überstunden nicht gezahlt, Urlaubsanspruch nicht gewährt oder Löhne bei Krankheit nicht fortgezahlt. Auch gesetzlich festgelegte Mindestlöhne werden nicht flächendeckend eingehalten.
Beratung zu sozial- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen
Phänomene wie diese sind Aydogan Gül und Josephine Barsch nicht unbekannt. Beide arbeiten beim DGB Bildungswerk BUND im Projekt „Support Faire Integration“, das im Rahmen des Netzwerks "Integration durch Qualifizierung" durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert wird. "Faire Integration" ist ein bundesweites Beratungsangebot zu sozial- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen für Geflüchtete und Drittstaatsangehörige.
Die Beratungsreferent*innen konstatieren eine deutliche Zunahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bei Migrant*innen und Geflüchteten. Gleichzeitig ist diese Gruppe auf dem deutschen Arbeitsmarkt besonders vulnerabel.
"Sie können die Sprache nicht, kennen das System nicht, haben mitunter ungeklärte Aufenthaltstitel und sind nicht selten in finanzieller Not", erklären Gül und Barsch, "dies macht sie anfällig für ausbeuterische Strukturen."
In ihren Beratungen geben sie Tipps, wie sich Arbeitnehmer*innen vor Ausbeutung schützen können. Nichts unterschreiben was nicht verstanden wurde, bei unterschriebenen Dokumenten immer um Kopien bitten, Arbeitszeiten selbst dokumentieren, sind nur einige davon.
Kooperation schafft wechselseitige Synergien
Von dieser Expertise profitiert auch unsere Erwerbslosenberatung. In der vergangenen Woche folgten Aydogan Gül und Josephine Barsch der Einladung der Beratungsstelle und gaben den anwesenden Beratungsfachkräften einen umfangreichen und praxisbezogenen Einblick in ihre Arbeit.
Dadurch stärkten sie die Kompetenzen unserer Berater*innen auf diesem Gebiet. Und wenn diese in speziellen Fällen nicht weiterkommen, können sie sich jederzeit an die Expert*innen von "Faire Integration" wenden.
Gleichzeitig betonten Gül und Barsch, in welchen Bereichen sie keine Beratung anbieten. Dies betrifft die Unterstützung bei der Arbeitssuche, aufenthaltsrechtliche Fragen, die Anerkennung von Berufsabschlüssen oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Themen, mit denen sich wiederum unsere Beratungsstellen intensiv beschäftigen.
"So profitieren beide Seite von der gebündelten Expertise und der Weitervermittlung an die jeweils andere Beratungsstelle", resümiert Anja Mölders.
Informationsveranstaltung geplant
Ein weiteres Ergebnis des Austausches ist die Planung einer gemeinsamen Informationsveranstaltung zum Thema "Arbeitsrecht". Zu dieser sollen insbesondere Teilnehmende aus unseren Sprachkursen, aber auch andere Migrant*innen und Geflüchtete eingeladen werden.
Die Veranstaltung findet am 3. Dezember in Lünen statt.