Vielfalt in der Arbeitswelt – Erfolgreich mit Interkulturalität

Prof. Dr. Jutta Rump und Silke Eilers

Prof. Dr. Jutta Rump, Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Silke Eilers, Institut für Beschäftigung und Employability (IBE)

Eine wissenschaftliche Betrachtung von Prof. Dr. Jutta Rump und Silke Eilers

Die kulturelle Vielfalt in Unternehmen steigt seit Jahrzehnten beständig an. Dabei gilt es in drei Gruppen zu differenzieren, die diese Vielfalt in Unternehmen bringen:

Hier sind zunächst Fach- und Führungskräfte zu nennen, die im Ausland gezielt angeworben und nach Deutschland geholt werden oder auf virtuellem Wege in internationalen Teams arbeiten. Bei der zweiten Gruppe, geflüchteten Menschen, stellt sich deren Integration in den Arbeitsmarkt sehr viel komplexer dar als das in der Regel strukturiert und geplant ablaufende sogenannte „Onboarding“ von ausländischen Menschen mit Engpassqualifikationen.

Entscheidend für positive Effekte sind – darin sind sich die Fachleute weitgehend einig – individualisierte und praxisorientierte Ansätze mit einer nachhaltigen Begleitung. Immerhin etwa die Hälfte der seit 2013 nach Deutschland geflüchteten Menschen geht laut einer kürzlich erschienenen Unternehmensbefragung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) inzwischen einer Beschäftigung nach.

Die zahlenmäßig größte Gruppe in den Unternehmen stellen schließlich Menschen mit Migrationshintergrund dar, die bereits in Deutschland geboren und sozialisiert wurden und das deutsche Schulsystem durchlaufen haben. Sie bringen demzufolge andere Grundvoraussetzungen mit in die Arbeitswelt als geflüchtete Menschen oder im Ausland gezielt rekrutierte Fach- und Führungskräfte, sind jedoch kulturell dennoch nicht selten stark von ihrer Herkunft bzw. den Migrationserfahrungen ihrer Eltern und Großeltern geprägt und tragen insofern ebenfalls zur kulturellen Vielfalt von Belegschaften bei.

Ressourcenorientierte Betrachtungsweise

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass in der Diskussion um den Umgang mit kultureller Vielfalt in Unternehmen keineswegs die Hürden und Herausforderungen in den Mittelpunkt gestellt werden sollten, wie dies nicht selten der Fall ist. Vielmehr darf man nicht außer Acht lassen, dass Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen über die Kompetenzen von „Grenzgänger*innen“ verfügen.

Dazu gehört, dass sie vielfach aufgrund ihrer kulturellen Prägung neuartige Ansichten und Problemlösungsansätze mitbringen und so für Innovationspotenzial sorgen. Zudem zeichnen sich gerade Geflüchtete nicht selten durch ein hohes Maß an Mut, Belastbarkeit und Risikobereitschaft aus.

Diese Kompetenzen sind insbesondere für die global vernetzte Arbeitswelt nicht zu unterschätzende Schlüsselqualifikationen, die es zu fördern gilt. Zudem kann immer vielfältigeren Kundengruppen mit immer individuelleren Bedürfnissen und Anforderungen durchaus auch besser mit einer entsprechend vielfältigen Belegschaft begegnet werden.

Durch Diversität im Team und in den Belegschaften sowie den Kooperationen mit Kund*innen, Lieferant*innen etc. werden die verschiedenen Anforderungen, Bedürfnisse, Interessen und Rahmenbedingungen in idealer Weise abgebildet. Ebenso steigt die Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber, wenn sich das Unternehmen tolerant und weltoffen positioniert.

Instrumente zur Förderung von Vielfalt

Für eine optimale Zusammenarbeit vielfältiger Kulturen ein bestimmtes Maß an interkultureller Kompetenz in Teams zu etablieren, ist zunächst eine Frage der Haltung. Um diese zu entwickeln und zu erlernen, ist ein Prozess aufzusetzen, der je nach Themenbereich und Organisation unterschiedlich ausfallen wird und insbesondere die Unternehmens- und Führungskultur im Unternehmen adressiert. Auf dieser Basis gilt es, in unterschiedlichen Handlungsfeldern wie zum Beispiel Organisation und Personalentwicklung Instrumente zu identifizieren und umzusetzen.

Mit Blick auf die Unternehmenskultur stehen Aspekte wie die Wertschätzung aller Mitarbeiter*innengruppen, die Vermittlung der Unternehmenswerte, die Verankerung kultureller Vielfalt im Leitbild, die Förderung einer offenen Gesprächskultur und die Schaffung von Vertrauen im Fokus.

Führungskräfte sollten für den Umgang mit Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen sensibilisiert werden und ein offenes Ohr für die Belange der verschiedenen Gruppen zeigen. Dazu gehört allerdings auch, sie entsprechend von Unternehmensseite zu informieren und zu schulen.

Auf organisatorischer Ebene werden flexible Arbeitsmodelle vielfältigen Bedürfnissen und Voraussetzungen in idealer Weise gerecht. Ebenso sollten bewusst integrationsförderliche Teamstrukturen aufgesetzt werden. Die Personalentwicklung kann einen Beitrag zum Gelingen des kulturellen Miteinanders leisten, indem ein zielgruppendifferenziertes Vorgehen gelebt wird, alle vorhandenen Kompetenzen anerkannt und wertgeschätzt sowie noch unzureichend ausgebildete Kompetenzen individuell gefördert werden.

Externe Unterstützungsangebote

Auch unternehmensextern gibt es inzwischen zahlreiche Unterstützungsangebote, so beispielsweise von der Bundesagentur für Arbeit, der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), den regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) und Handwerkskammern (HWK) sowie zahlreichen Fachstellen für Integration bei Bund und Ländern.

Unsicherheitsfaktoren bei der Einstellung von Geflüchteten begegnen laut einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) viele Unternehmen auch mit unkonventionellen Wegen. Wenn betriebliche Routinen wie die Prüfung formaler Zertifikate oder Testverfahren nicht möglich sind, werden stattdessen Flüchtlingshelfer*innen in die Auswahl von Beschäftigten eingebunden oder vorgelagerte Bewährungs- und Qualifizierungsverfahren genutzt.

Um den Übergang in den deutschen Lebens- und Arbeitsalltag zu erleichtern, gibt es auch vielfach unbürokratische und individuelle Hilfestellungen seitens der Betriebe und ihrer Mitarbeiter*innen. Die bereits angesprochene Befragung des KOFA zeigt zudem, dass Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit der Beschäftigung von Geflüchteten haben, viele Hemmnisse geringer wahrnehmen als Unternehmen ohne diese Erfahrung. Dies lässt den Schluss zu, dass viele erwartete Hemmnisse letztlich nicht so stark auftreten wie zunächst befürchtet.

Abschließend lässt sich festhalten: Kulturelle Vielfalt im Unternehmen zu fördern heißt, alle Potenziale einer Belegschaft optimal zur Entfaltung zu bringen – eine Herausforderung, aus der mit entsprechender Haltung und einer offenen Unternehmens- und Führungskultur unternehmerischer Erfolg hervorgehen kann.

 

Literatur

basis & woge e.V./ Koordination der Fach-AG Antidiskriminierung (2015) (Hrsg.): Fakten und Handlungsempfehlungen, Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“. In: http://www.basisundwoge.de/fileadmin/user_upload/pdf/Diskriminierung_im_Kontext_Arbeitsmarkt_final.pdf (Zugriff: 25.09.2019).

Falkenhain, M. / Hirseland, A. / Seidelsohn, K. / Verlage, T. (2020): Was Betriebe tun, damit die Einstellung von Geflüchteten zum Erfolg führt. In: https://www.iab-forum.de/was-betriebe-tun-damit-die-einstellung-von-gefluechteten-zum-erfolg-fuehrt/ (Zugriff: 21.10.2020).

Lecturio GmbH (2016): Diese 7 Vorteile bringen Ihnen ausländische Fachkräfte. In: https://www.lecturio.de/magazin/auslaendische-fachkraefte/ (Zugriff: 21.10.2020).

Rump, J. / Eilers, S. / Kreis, L.-M. / Zapp, D. (2018): Praxishandbuch Interkulturalität. Vielfalt in der Arbeitswelt managen. Wiley Weinheim.

Statistisches Bundesamt (2020): Migration und Integration. Pressemitteilung vom 28.07.2020. In: https://destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/_inhalt.html (Zugriff: 15.09.2020).

Stein, M.A. / Christiansen, L. (2010): Successful onboarding. A strategy to unlock hidden value within your organization. New York: McGraw-Hill.