Chancen für alle durch gute Beratung
Beratungsdienste für Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte tauschen sich an Aktionstag mit Politikern aus
Die aktuellen politischen Diskussionen rund um die Themen Migration und Integration drehen sich überwiegend um Abschiebungen und Grenzkontrollen. Weniger wird über die viel größere Anzahl von Zugewanderten gesprochen, die bereits berechtigterweise in Deutschland lebt – und der es die hiesigen Strukturen – vom Aufenthaltsrecht bis zu langen Wartelisten für Deutschkurse, von fehlenden Kita- und Schulplätzen bis zu bürokratischen Hürden bei der Anerkennung von Abschlüssen – nicht immer leichtmachen, ihre Potenziale in unserem Land zu entfalten, sich hier einzubringen, teilzuhaben. Dabei ist es im Interesse Deutschlands, so der einhellige Befund von Expert*innen, Teilhabemöglichkeiten für alle zu schaffen – nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Bedarf Deutschlands an Fach- und Arbeitskräften, der ungebrochen groß ist und eher noch wächst.
Durch gute Beratung Zugewanderten schnell Zugänge ermöglichen
Eine wichtige unterstützende Struktur für das Ankommen und die Teilhabe sind die bundesgeförderten Migrationsberatungsstellen für erwachsene Zugewanderte (MBE) sowie die Jugendmigrationsdienste (JMD), die Zugewanderten das Ankommen erleichtern, die Erwerbsintegration und Arbeitskräftesicherung unterstützen, zur Verminderung von zukünftigen Sozialausgaben beitragen und das Gemeinwesen vor Ort stärken. Die aktuellen Haushaltspläne der Bundesregierung zeigen aber: Die Mittel für diese wichtige Arbeit werden knapper.
Im Kreis Unna haben wir uns mit dem Caritasverband für den Kreis Unna sowie mit der AWO Ruhr-Lippe-Ems mit unseren verschiedenen Diensten zum Netzwerk MBE/JMD Kreis Unna zusammengeschlossen. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages der Beratungsstellen stellten wir Vertreter*innen von Bund, Land und Kommunalverwaltung unsere Arbeit vor und berichteten über die Herausforderungen, vor denen die Beratungsstellen aktuell stehen.
Immer weniger Geld für immer mehr Beratung
In Bergkamen unterhalten wir und die AWO Ruhr-Lippe-Ems die Migrationsberatungsstelle für erwachsene Zugewanderte bzw. den Jugendmigrationsdienst. Allein das Multikulturelle Forum erreichte in Bergkamen und Lünen im Jahr 2023 insgesamt 930 Beratungsfälle – hinzukamen noch mitberatene Familienmitglieder. Auch die anderen Beratungsdienste melden hohe und auch steigende Zahlen. „Beratungen, die entscheidenden Einfluss darauf haben, welche Türen sich Menschen in unserem Land eröffnen und welchen Beitrag sie hier leisten können,“ betont unser Geschäftsführer Kenan Küçük. Aktuell blicke er aber mit Sorge auf die Beratungsstellen in unserem Verein: „Es sind sehr schwierige Zeiten für soziale Träger,“ erläutert er mit Blick auf die Haushaltsberatungen bei Bund und Land: „Bei den Migrationsberatungsstellen soll zwar nach aktuellem Stand nicht gekürzt werden, aber eine gleichbleibende Förderung führt bei steigenden Kosten de facto dennoch zu knapperen Mitteln.“ Auch führten die Kürzungen auf Landesebene – zum Beispiel bei den landesgeförderten Asylverfahrens- und Flüchtlingsberatungsstellen dazu, dass der Beratungsdruck auf den anderen Beratungsstellen steige – eine gute Arbeit sei da oft kaum mehr möglich.
Ralf Plogmann, Vorstand des Caritasverbandes Kreis Unna wies darauf hin, dass erste Sozialverbände sich bereits aus der Migrationsberatung zurückgezogen hätten: „Es steht zu befürchten, dass weitere aufgeben werden müssen – Leidtragende sind dann die auf Unterstützung angewiesenen Menschen. Diese Menschen sich selbst zu überlassen ist eine Gefahr für den sozialen Frieden.“ Auch Heiko Sachtleber, zuständiger Abteilungsleiter bei der AWO Ruhr-Lippe-Ems betonte, es sei mühsam, Jahr für Jahr um die Mittel für die gute Arbeit, die vor Ort geleistet werde, kämpfen zu müssen.
Politiker beklagen knappe Kassen – beim Bürokratieabbau alle einig
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Thews gab das Versprechen ab, er werde sich, wie schon im vergangenen Jahr dafür einsetzen, dass die Mittel zur Verfügung stünden. Die Tatsache, dass dieses Mal keine Kürzungen drohten, sei angesichts der angespannten Haushaltslage ein gutes Signal. Die begrenzten Mittel brachte auch Grünen-Abgeordneter Michael Sacher zur Sprache und wies darauf hin, dass auch andere Bereiche ähnlich betroffen seien. Bundestagsabgeordneter Hubert Hüppe (CDU) zeigte sich erschrocken, dass bürokratische Hürden Antragstellung und Geldauszahlungen verhinderten. Hier sah auch Michael Thews Handlungsmöglichkeit und bat die Träger um Hinweise. Rainer Schmeltzer, SPD-Landtagsabgeordneter, kritisierte die drohenden drastischen Kürzungen seitens der NRW-Landesregierung, beispielsweise bis zu 60 % bei den Flüchtlingsberatungsstellen oder bis zu 100 % bei den integrationspolitischen Kleinprojekten, die beispielsweise für die Durchführung von Ehrenamtsprojekten genutzt werden, scharf. Wer in dieser Größenordnung spare, zerstöre Strukturen, die nicht so schnell wiederaufgebaut werden könnten. Gerade in der jetzigen Zeit dürfe so etwas nicht in Kauf genommen werden, betonte er.