Deutschland und Israel als Migrationsgesellschaften

Austauschprojekt begrüßt Gäste aus Israel in Dortmund

Junge Menschen in Deutschland und Israel haben diverse kulturelle, religiöse und nationale Identitäten. Dies wird auch im deutsch-israelischen Jugendaustausch spür- und sichtbar. Doch wie kann diese Vielfalt im Kontext eines Austausches wertgeschätzt werden – unter gleichzeitiger Berücksichtigung des historisch bedeutsamen Themas von Nationalsozialismus und Shoah? Mit diesen Fragen und dem Fokus auf diskriminierungskritischer Bildungsarbeit befasst sich das Austauschprojekt „Your Story Moves! Deutsch-Israelischer Jugendaustausch – Begegnungen junger Menschen in Migrationsgesellschaften“ und entdeckt beide Länder als Einwanderungsgesellschaften.

Eine maximal vielfältige Gruppe auf den Spuren von Migration

Nachdem eine Gruppe von zehn Jugendlichen aus NRW im vergangenen Oktober eine Woche in Israel verbrachte, begrüßte das Multikulturelle Forum als Partner des Projektträgers ConAct –Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch nun neun Jugendliche des israelischen Projektpartners Hebrew Scouts in Dortmund. Die aus insgesamt 22 Personen bestehende deutsch-israelische Gruppe erwartete hier ein abwechslungsreiches Programm rund um die Themen Identität, Diversität, Migration, Religion und Erinnerungskultur. Die Teilnehmenden waren im Sinne des Projekttitels „Your Story Moves!“ eingeladen, ihre eigenen Geschichten beizutragen, brachten sie doch selbst eine große Vielfalt mit: Deutsche mit türkischem oder marokkanischem Migrationshintergrund, Israelis äthiopischer oder marokkanischer Herkunft, Teilnehmende jüdischen, islamischen, christlichen, drusischen oder alevitischen Glaubens aber auch ohne Religions-zugehörigkeit. Das Projekt richtete sich vor allem an junge Erwachsene, die selbst im Migrationskontext mit Jugendlichen arbeiten, unter ihnen junge Fachkräfte aus der Jugendarbeit, Studierende der Sozialen Arbeit, Pfadfinder, Ehrenamtliche aus Jugendverbänden und Aktivisten. Auf diese Weise sollen die differenzierten Bilder Deutschlands und Israels auch an andere junge Menschen weitergegeben werden.

Erwartungen und Überraschungen

Zu Beginn des Austauschs sind mangels eigener Erfahrungen noch viele Stereotype im Spiel. „Nahostkonflikt, gutes Essen, Religionen“ sind einige Begriffe, die im Vorfeld der Israelreise fallen; wie vielfältig das Land ist und welche unterschiedlichen Perspektiven es zu den Themen geben kann, wird erst im Laufe der Woche deutlich. Das ist in Deutschland nicht anders:  „Die Menschen sind eher kühl und lachen selten, außerdem regnet es oft“, notiert eine Teilnehmerin des Deutsch-Israelischen Jugendaustauschs „Your Story Moves!“ auf dem Flipchartpapier als Antwort auf die Frage, mit welchen Erwartungen und Vorurteilen sie nach Deutschland gekommen ist. Nach einer Woche in Dortmund weiß sie, ihr Bild entspricht nicht der Realität – außer dem Regen, der die 17 jungen Erwachsenen tatsächlich die ganze Woche ununterbrochen begleitet hat. Auch die Gruppe selbst hat sich verändert: Waren es zu Beginn noch zwei Gruppen, die gemeinsam reisten, sind die Teilnehmenden während des Projektes zu einer Gruppe zusammengewachsen; für Außenstehende ist nicht mehr erkennbar, wer von ihnen aus Deutschland und wer aus Israel kommt.

Vielfalt als prägendes Element Dortmunds

Einen ersten Überblick über die Stadt verschaffte sich die Gruppe gleich am ersten Tag mit einem Stadtrundgang, bei dem Teilnehmende aus Dortmund jeweils einen für sie bedeutenden Punkt der Stadt vorstellten. Stadträtin Daniela Schneckenburger  begrüßte die Gruppe an der Reinoldikirche, die sie bewusst als Treffpunkt ausgewählt hatte „weil sie mit ihrem Standort an der Kreuzung alter Handelswege die Bedeutung von Migration für unsere Stadt seit jeher aufzeigt“. Die Vielfalt der Stadt konnte die Gruppe dann auch gleich am Folgetag bei einer Fahrradtour durch die Nordstadt erleben. Gemeinsam mit Mirza Demirović, Fachreferent im Jugendamt Dortmund, besuchten sie verschiedene Einrichtungen der Jugendarbeit und bekamen Inspiration für ihre eigene Arbeit.

Auch Religion und interreligiöser Dialog waren Thema in beiden Etappen des Austauschs: War es in Israel noch der Tempelberg in Jerusalem oder die drusische Gemeinde in Shfaram, ging es in nun zur Alevitischen Gemeinde Dortmund, in die Kölner Zentralmoschee und zum Schabbat-gottesdienst der Jüdischen Gemeinde Groß Dortmund - im Gepäck auch immer wieder die Erkenntnis der vielen Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Religionen.

Rassismus als zentrale gemeinsame Herausforderung

Nicht nur beim Besuch im BVB-Lernzentrum mit anschließender Stadionführung war das Thema Rassismus und Diskriminierung präsent. In einem interaktiven Workshop sprachen die Jugendlichen mit den Bildungsreferent*innen des Multikulturellen Forums über Stereotype, Vorurteile und die Übergänge zu diskriminierendem Verhalten und beschäftigten sich mit verschiedenen, aktuellen Erscheinungsformen von Rassismus. So wurden sie in einer Übung in Zweiergruppen dazu aufgefordert, verschiedene Fragen zu ihrem Gegenüber zu beantworten, ohne dabei mit ihm/ihr zu kommunizieren - ein wichtiger Denkanstoß zu Prozessen der sozialen Kategorisierung, die im Alltag oftmals ein erster Schritt zu diskriminierendem Verhalten sein kann.  Gesprochen wurde auch über Differenzen und Analogien zwischen den Mechanismen von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus in Politik und Gesellschaft Westeuropas.

 

Weitere Partnerorganisationen für das Austauschprogramm „Your Story Moves“:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Projekt „Living Diversity in Germany and Israel“ wird von ConAct – Koordinierungszentrum Deutsch- Israelischer Jugendaustausch in Kooperation mit der Israel Youth Exchange Authority realisiert. Es wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert und von 2015 bis 2019 als Begleitprojekt durchgeführt.

 

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