Lucica und ihre Kinder - Dokumentarfilm mit tiefen Einblicken
Eine Heldinnenreise mit Brüchen und tiefen Einblicken
Lucica, 29, lebt mit ihren sechs Kindern in einer 1-Zimmer-Wohnung in Dortmund, damit sie hier zur Schule gehen können. Ihr Mann darf nach einer Gefängnisstrafe nicht mehr nach Deutschland einreisen. Die Situation spitzt sich zu, als der Strom abgestellt wird und die jüngste Tochter in Rumänien bleiben muss.
Der bewegende Dokumentarfilm von Bettina Braun gewährt tiefe Einblicke in die Poesie des bedingungslosen Miteinanders der Familie. Lucia präsentiert sich als eine starke, selbstbewusste Frau, die möchte, dass es ihren Kindern besser geht und mit ganzer Kraft darauf hinarbeitet.
Andererseits verläuft ihr Leben alles andere als geradlinig, und immer wieder tun sich Widersprüche in Lucicas Weg auf. Nicht immer deckt sich ihre Perspektive mit den Wünschen der Betrachtenden.
Für die Dokumentarfilmerin Bettina Braun war es auch nicht immer einfach, den schmalen Grad zwischen professioneller Distanz und vertrauensvoller Nähe zur Protagonistin Lucica zu wahren. Doch gerade dieser Drahtseilakt macht den Film so authentisch und sehenswert.
Die Rolle der Jobcenter
Die Resonanz auf den Film war durchweg positiv. Rund 30 Mitarbeitende aus Jobcentern und Kommunalverwaltungen waren der Einladung von Sabrina Beckmann im Rahmen des Projekts "VielfaltPlus" ins Dortmunder sweetSixteen-Kino gefolgt.
"Unser Ziel war es, den Mitarbeitenden, die tagtäglich mit Menschen wie Lucica zu tun haben, mal außerhalb ihrer gewöhnlichen Arbeitsprozesse einen Einblick in die Lebensumstände und Sichtweisen ihrer Klient*innen zu verschaffen", erklärt Sabrina Beckmann
Obwohl die Rolle von Arbeits- und Kommunalverwaltungen im Film nur einen Nebenschauplatz einnahm, was laut Bettina Braun weniger dem fehlenden Alltagsbezug denn vielmehr der fehlenden Drehgenehmigung geschuldet war, regte die Dokumentation bei den Zuschauenden unweigerlich einen Perspektivwechsel an.
Lucicas Alltag ist im hohem Maße geprägt durch Interaktionen mit Verwaltungen, insbesondere des Jobcenters. Dazu gehören regelmäßige Gespräche mit Sachberarbeiter*innen ebenso wie Briefwechsel und Antragsverfahren. Für die Projektteilnehmenden war es also durchaus erkenntnisreich, sich in die Rolle von Lucica hineinzuversetzen.
Hürden und Vorbehalte
So wurde beispielsweise deutlich, dass das breite Hilfesystem, dass in Deutschland existiert, nicht unbedingt verständlich und durchschaubar ist. Zudem gibt es immer wieder Unbehagen auf Seiten der Anspruchsberechtigten, weil das System völlig unbekannt ist, es keine persönlichen Kontakte gibt (man kennt eher die Unterstützung durch Bekannte/Familie) oder das Vertrauen in die Institutionen fehlt.
Zum Teil sind die Zugänge auch mit großen Hürden verbunden. So gibt es etwa bei der Tafel immer wieder Zugangsstopps oder lange (unwürdige) Warteschlangen, andere Hilfsangebote sind zeitlich oder räumlich wenig bis gar nicht erreichbar. Hinzu kommen Verständigungsschwierigkeiten und Kinderbetreuungsprobleme, insbesondere bei Frauen wie Lucica.
Deutlich wurde in der anschließenden Diskussion auch, dass es bestimmte Ängste vor den Behörden gibt, die vor allem aus negativen Erfahrungen mit staatlichen Institutionen im Herkunftsland resultieren. Hinzu kommt die Angst, nicht in Deutschland bleiben zu dürfen, zumindest nicht gemeinsam mit den Kindern.
Gelungener Perspektivwechsel
Nicht ganz nachvollziehbar war für einen Teil der Zuschauenden, warum das Geld vom Jobcenter eigentlich nicht ausreicht. Schließlich decke es doch das für Deutschland geltende Existenzminimum ab. Der Film machte aber auch deutlich, dass Kosten für die Versorgung von Familienmitgliedern im Herkunftsland oder hohe Gebühren für Reisedokumente nicht darin berücksichtigt sind und Familien zusätzlich belasten.
Alles in allem wurde der Film von den Besucher*innen für sehenswert, lehrreich und beeindruckend gehalten. "Der Perspektivwechsel war interessant und anregend", urteilte eine Teilnehmerin am Ende der Veranstaltung.