Fairplay für Menschenrechte

Fußball mit Aufschrift "Qatar 2022"

Die Weltmeisterschaft in Katar erhitzt die Gemüter – und das streng genommen 12 Jahre zu spät. Der eigentliche Skandal war bereits die Vergabe im Jahr 2010 an ein Land, dem zuvor in Prüfberichten die Eignung für die Austragung des Großereignisses abgesprochen wurde. Dass hier Korruption im Spiel war, steht inzwischen außer Frage – unklar ist eigentlich nur noch, wer alles darin involviert war.

Für Erstaunen sorgte dann noch 2015 die Entscheidung der Fifa, die Spiele im Winter – statt wie sonst im Sommer – auszurichten. Dies machte den Klimaaspekt der WM in Katar deutlich. Dass das Versprechen von Fifa und Katar, die WM 2022 werde klimaneutral ausgetragen, kaum einzuhalten war, war bereits damals abzusehen. Dies machen nicht zuletzt die klimatisierten Mega-Stadien sichtbar, die seit der Vergabe entstanden sind. Satellitenaufnahmen von tausenden Quadratmetern Rasenfläche samt Infrastruktur wie Autobahnen dort, wo zuvor weitgehend unberührte Wüste war, sprechen für sich.

Während die Vergabepraxis der FIFA und der Klimaaspekt mehr und mehr in den Hintergrund der Diskussionen gerückt sind, dominiert aktuell die Kritik am Umgang des Emirats Katar mit dem Thema Menschenrechte. Insbesondere die katastrophalen Bedingungen für Gastarbeiter, ohne die die WM-Bauten gar nicht hätten errichtet werden können, sowie die Tatsache, dass die Rechte von Frauen und queeren Menschen nicht gewahrt werden, sorgt für Kritik – und das völlig zurecht. Dass Menschen für die Errichtung von Sportstätten in menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen ausgebeutet werden und dies zum Teil mit ihrem Leben bezahlen mussten, ist ebenso unerträglich wie die Tatsache, dass sich nun ein Land auf der Weltbühne präsentieren darf, das Homosexualität nach wie vor mit Gefängnisstrafen belegt.

Diese Kritik ganz klar vorweggeschickt, möchten wir aber auch auf die Gleichzeitigkeit von zwei Argumentationslinien hinweisen, die wir in der aktuellen Diskussion beobachten und die beide dem Kampf für universelle Menschenrechte nicht zuträglich sind:

Auf der einen Seite wird vielerorts ein regelrechtes Katar-Bashing betrieben, der vor allem in antimuslimischem Rassismus begründet ist. Ohne jede Selbstreflektion wird Katar quasi von oben herab kritisiert. Dabei werden rassistische Stereotype wie „die zivilisierte, westliche Welt vs. die rückständige arabische Welt“ bemüht. Durch das Bild des frauenunterdrückenden und queerfeindlichen Muslims wird antimuslimischer Rassismus reproduziert und nicht nur Katar, sondern eine ganze Region, eine ganze Religion diskreditiert. Währenddessen wird außer Acht gelassen, dass auch im eigenen Land Frauen- und Queerrechte erst in der jüngsten Vergangenheit überhaupt in den Blickpunkt gerückt sind. Auch heute noch werden sie längst nicht zufriedenstellend eingehalten.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Stimmen, die meinen, gerade weil es auch in der sogenannten westlichen Welt Defizite gebe, dürfe man Länder wie Katar nicht für ihre Menschenrechtsverletzungen kritisieren. Hinzu kommt ein gewisser Whataboutism, der jegliche Kritik ins Lächerliche zieht. Mit solchen Maßstäben können man bald nirgendwo mehr Sport-Events durchführen – etwa in den USA, wo gerade das Abtreibungsrecht massiv eingeschränkt wird und somit die Frauenrechte mit Füßen getreten werden.

Was also tun? Gibt es Doppelstandards im Umgang mit verschiedenen Ländern? Ja, ganz bestimmt! Sind diese eine Entschuldigung für die krassen Menschenrechtsverletzungen und gar Todesfälle in Katar? Ganz sicher nicht! Wichtig bleibt, dass die Kritik vor allem die richtigen Adressaten trifft: Je deutlicher es wird, dass eine WM unter solchen Umständen nicht die Zustimmung der Fans findet, desto weniger werden in Zukunft ungeeignete Austragungsorte gewählt. Sowohl die Umstände in den austragenden Staaten insgesamt, aber vor allem auch die Bedingungen der Austragung selbst müssen stärker bei der Vergabe berücksichtigt werden – und nicht die korrupten Finanzinteressen des Exekutiv-Komitees. Auch in der Vergangenheit wurden Sport-Großereignisse nicht sozial und ökologisch verträglich ausgerichtet. Auch diese Aspekte müssen in den kommenden Jahren viel stärker in den Fokus rücken.

Für die laufende WM bleibt zu wünschen, dass die vielen Protestaktionen und Hintergrundrecherchen möglichst viele Fans, politisch Verantwortliche sowie Sponsoren nachhaltig sensibilisieren. Nur so kann es gelingen, dass zukünftige Weltmeisterschaften weder auf dem Rücken Ausgebeuteter stattfinden, noch unter Hinnahme krasser Menschenrechtsverletzungen.