Migrantenorganisationen als Partner*innen bei der Fachkräftegewinnung

Neue Wege gehen
In den kommenden Jahren wird der Fachkräftemangel in Deutschland immer wieder neue Höchststände erreichen, was insbesondere die deutsche Wirtschaft vor enorme Herausforderungen stellt. Auch die vergleichsweise hohe Zuwanderung der letzten Jahre wird nicht ausreichen, um das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland langfristig zu stabilisieren. Ob ein Unternehmen oder eine Behörde auch in Zukunft über hinreichend Fachkräfte verfügt, hängt daher umso mehr davon ab, wie gut es ihnen gelingt, neue Wege bei der Arbeitskräftegewinnung zu gehen.
Eine wichtige Rolle nehmen dabei Menschen mit Flucht- oder Einwanderungsgeschichte ein, deren Erwerbspotenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Verschiedene Studien belegen, dass diese Menschen in höherem Maße von Erwerbslosigkeit betroffen sind oder in Berufen arbeiten, die nicht ihren vorhandenen Qualifikationen entsprechen.
Die Gründe sind vielfältig: Neben strukturellen Defiziten und Diskriminierung sind auch Faktoren wie Informationszugang oder soziales Kapital relevant. Welchen Stellenwert beispielsweise eine duale Ausbildung in Deutschland genießt, wie vielfältig Ausbildungsgänge sind oder welche Karrieremöglichkeiten existieren, wissen viele Menschen aus eingewanderten Familien weniger gut als jene mit entsprechenden Verwandten und Bekannten aus den genannten Bereichen.
Migrantenorganisationen als Brücken
Unternehmen und Verwaltungen tun gut daran, diese Informations- und Wissenslücken bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu verringern. Sie leisten damit nicht nur einen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit, sondern auch zur Sicherung eigener Fachkräftepotenziale. Organisationen von Migrant*innen stellen hierfür den idealen Rahmen dar.
Migrantenorganisationen (MO) bzw. Migrantenselbstorganisationen (MSO) nehmen eine wichtige Brückenfunktion ein. Durch sie werden Menschen mit internationaler Familiengeschichte am besten erreicht. Zudem können sie zwischen Arbeitgeber*innen und potenziellen Bewerber*innen optimal vermitteln. Nicht zuletzt leisten sie aktive Elternarbeit und nehmen dadurch entscheidenden Einfluss auf die Berufsorientierung.
Die Einbindung von MO als Partner*innen bei der Fachkräftesicherung eröffnet Unternehmen und Verwaltungen neue Kommunikationskanäle und schafft authentische Begegnungsräume. Sie ermöglicht Dialoge auf Augenhöhe zwischen Arbeitgebenden und Menschen aus den unterschiedlichsten migrantischen Communities.
Gleichwohl stößt die Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Migrantenorganisationen immer wieder auf Unsicherheiten und Vorbehalte auf beiden Seiten. Arbeitgebende fragen sich vielleicht, wer hinter der MO steckt, ob sie geeignet für ihr Vorhaben ist, und wie sie den Kontakt herstellen können. Auf der anderen Seite haben angefragte MO das Anliegen nicht verstanden oder in anderen Zusammenhängen schlechte Erfahrungen mit vergleichbaren Kooperationen gemacht (z.B. keine Anerkennung für ihren Mehraufwand erhalten).
Leitfaden für Personalverantwortliche
Um gegenseitige Vorbehalte abzubauen und zur Zusammenarbeit zu motivieren, haben wir im Jahr 2018 mit Unterstützung des damaligen Ministeriums für Kinder, Familie, Flucht und Integration in Nordrhein-Westfalen eine Handreichung zur Initiierung und Versteigung von Partnerschaften zwischen Arbeitgebenden und MO im Sinne der Fachkräftegewinnung herausgegeben. Die Resonanz darauf war größer als erwartet. Sogar nach mehr als fünf Jahren werden wir auf diese Publikation angesprochen.
Aufgrund der positiven Reaktionen haben wir uns mit dem heutigen Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen auf eine Neuauflage verständigt. Die überarbeitete Handreichung richtet sich insbesondere an Personalverantwortliche, die den Mehrwert von Vielfalt in der eigenen Organisation erkannt haben und sich offen für eine Zusammenarbeit mit MO zeigen.
Der Leitfaden gibt Hilfestellung zur Auswahl geeigneter Ansprechpersonen, zur angemessenen Kontaktaufnahme, zu Kooperationsmöglichkeiten sowie zur konkreten Durchführung von Veranstaltungen. Zudem gibt sie Impulse zur Vielfaltsorientierung in der eigenen Organisation und Ratschläge zur künftigen Verstetigung von Partnerschaften.
Die Publikation basiert auf unseren jahrzehntelangen Erfahrungen und Erkenntnissen sowohl als MO als auch als Beratungs-, Unterstützungs- und Vernetzungspartner für andere MO. Die gedruckte Version kann an unseren Geschäftsstellen eingesehen und mitgenommen werden. Als digitale Variante kann sie hier kostenlos heruntergeladen werden:
Die Handreichung wurde gefördert durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.