Soziale Medien als Plattform für Verbreitung islamistischer Ideologien

Soziale Medien spielen eine zunehmend große Rolle im Leben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Durchschnittlich verbringen Jugendliche 201 Minuten in der Online-Welt und mit zunehmendem Alter steigt die Zeit. Die 12- bis 13-Jährigen liegen mit 142 Minuten unter dem Durchschnitt, wohingegen die 18- bis 19-Jährigen mit 252 Minuten über dem Durchschnitt liegen. Soziale Medien können in der Lebenswelt von Jugendlichen als eine Art Berater in allen Lebenslagen verstanden werden. Auch religions- und identitätsstiftende Inhalte finden hierbei ihren Platz.
Ideologische Inhalte unauffällig verpackt
Islamistische Akteur*innen inszenieren sich als Influencer*innen und schaffen einen niedrigschwelligen Zugang zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es gelingt ihnen, ein junges Publikum anzusprechen, ohne anspruchsvolle (theologische) Diskurse zu führen. Es werden schlichte, lebensnahe Themen mit islamistischen Positionen besetzt und propagiert. Sie teilen Inhalte zu Lebensgestaltung, Religion, Identität, aktuellen politischen Geschehnissen und bewerten, was richtig und falsch ist. Weiter schaffen sie es, ideologische Inhalte unauffällig zu verpacken und sprechen ihr Publikum durch unterschiedliche Narrative an: 1) Doppelte Erlösung/Hoffnung auf ewiges Leben, 2) Opfer/Gefühl der Ausgrenzung („Du wirst nie akzeptiert.“), 3) Stärkung/Übernahme der Kontrolle („Du bist der/die Auserwählte.“), 4) Gefühl der Ungerechtigkeit/der für Gruppen bestehenden Missstände und 5) „das Kalifat“. Diese Narrative wirken bei Jugendlichen und jungen Menschen, da sie emotional ansprechen, Handhabungen und einfache Antworten auf komplexe Fragen bieten. Themen wie die Pandemie, Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, Klimawandel, Inflation, fehlender bezahlbarer Wohnraum, Altersarmut und die Spaltung der Gesellschaft treiben junge Menschen laut der Trendstudie "Jugend in Deutschland 2024: Verantwortung für die Zukunft? Ja, aber" von Simon Schnetzer, Kilian Hampel und Klaus Hurrelmann um. Die religiösen Vorgaben für das gesamte Leben können eine Entlastung bei Überforderung durch Informationsflut und Möglichkeiten sein.
Akteure aus dem islamistischen Spektrum
Im Folgenden gehen wir auf einige Akteure aus dem islamistischen Spektrum ein. Muslim Interaktiv wird vom Verfassungsschutz dem Umfeld der verbotenen Gruppe Hizb ut-Tahrir zugeordnet. Sie nutzen Themen wie zum Beispiel antimuslimischen Rassismus, den Nahost-Konflikt, die Medienberichterstattung zum Islam, die westliche Doppelmoral sowie weitere Themen und instrumentalisieren diese mit ideologisch aufgeladener Polemik. Muslim Interaktiv hat im Februar 2023 nach der Koranverbrennung in Schweden 3.500 Leute für eine Demonstration mobilisiert. Auch im letzten Jahr haben sie zu Demonstrationen aufgerufen und mit ihrem vermeintlichen Aufruf zu einem Kalifat (in arabischen Staaten) für viel Aufsehen gesorgt. Die falsche Darstellung in den Medien hat Muslim Interaktiv für sich genutzt und thematisiert. Sie schaffen es, durch die Videos von den Demonstrationen viele Klickzahlen und dadurch Reichweite sowie weitere Follower*innen zu gewinnen.
Ein weiterer Akteur ist Abdel Hamid. Er ist einer der beliebtesten islamistischen Akteure online in Deutschland, vor allem auf Instagram und TikTok. Er lässt sich dem Spektrum des Salafismus zuordnen, welches sich in der Lebensgestaltung an dem Leben von Mohammed und den drei folgenden Generationen orientiert. Er bedient einige der oben genannten Narrative, wie die Hoffnung auf das ewige Leben. Dabei spricht er sich für eine Strukturierung nach strengen religiösen Prinzipien aus. Mit alltäglichen Beispielen bringt er dem Publikum die Ver- und Gebote nahe. Hierbei bedient er sich der Konzepte von Hölle und Jenseits sowie dem ewigen Leben. Das Thema Tod und vor allem, was danach passiert, beschäftigt Menschen, und durch die Möglichkeit des ewigen Lebens kann Druck bei Konsument*innen erzeugt werden. Er schafft es, durch sein sympathisches, gepflegtes und freundliches Auftreten, das Einbinden der Zuschauer*innen und das Beantworten von Fragen sowie seine jugendaffine Sprache eine Nahbarkeit bei den Konsument*innen zu erzeugen und eine parasoziale Beziehung aufzubauen. Dies lässt sich aktuell gut daran erkennen, dass er wegen Spendenbetrugs in Höhe von knapp 350 000 € im Gefängnis sitzt und seine Follower*innenzahl seit den Medienberichterstattungen steigt, während die Leute ihm online ihre Solidarität aussprechen.
Vermeintlich einfache Lösungen für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass soziale Medien zunehmend als Plattform für die Verbreitung islamistischer Ideologien dienen und dabei gezielt junge Menschen adressieren, indem sie emotionale Bedürfnisse ansprechen und vermeintlich einfache Lösungen für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen bieten.
Die Wegweiser Beratungsstelle passt ihr Angebot regelmäßig an aktuelle Themen und die Bedürfnisse der Zielgruppen an. Dabei werden die Beispiele und Methoden ständig überprüft, um sicherzustellen, dass sie für die jeweiligen Gruppen zugänglich und aktuell sind. Zurzeit werden die Workshops „Islamistische Ansprachen in Sozialen Medien“ und „Medienkompetenz“ für Schüler*innen sowie für Multiplikator*innen überarbeitet, um die gewonnenen Erfahrungen einzubeziehen.