Integration (nicht nur) durch Deutschlernen







Sprache, Landeskunde, Perspektivplanung: „intos“ half auf vielen Ebenen
Frankfurt am Main ist allgemein bekannt für seine in Deutschland einzigartige Skyline, das historische Rathaus am Römerberg oder die geschichtlich bedeutsame Paulskirche. Das Bahnhofsgebäude bringen hingegen die wenigsten Leute mit der Mainmetropole in Verbindung. Bei Sajed Kazemi Pour ist das anders. Er kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn er die Bahnsteighalle und seine aus Stahl und Glas bestehende Überdachung beschreibt. Kein Wunder, denn Sajed hat im Iran Architektur studiert, bevor er vor fast zwei Jahren nach Deutschland kam. Der 29-Jährige lebt ganz allein in Lünen. „Die deutsche Sprache habe ich mir zunächst selbst beigebracht, anhand von Youtube-Videos, denn es gab keinen Sprachkurs für mich“, erklärt er.
Hilfe beim Deutschlernen
„So wie Sajed ergeht es Vielen“, ergänzt Seher Kahraman, die in Lünen und Hamm das Projekt „intos“ leitet. Durch die offenen Treffpunkte konnten in den letzten zwei Jahren über 250 Menschen, die keinen Zugang zu regulären Integrationskursen haben, beim Deutschlernen unterstützt werden. „Die Sprachkenntnisse der Teilnehmenden sind sehr unterschiedlich. Von Analphabeten über Menschen mit dem Sprachniveau B1 war eigentlich alles vertreten“, beschreibt Kahraman, die dreimal wöchentlich Sprachcafés leitete. Einige Teilnehmende können jetzt zumindest auf Deutsch lesen und schreiben, wieder andere hat sie dabei unterstützt, Prüfungen auf den Niveaus B1 oder B2 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen erfolgreich abzulegen.
Stolz hält Chinyere Edith Atagamen ihr TELC-Zertifikat für das B1-Niveau hoch. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern war es für sie schwer, genügend Zeit zum Lernen aufzubringen, doch durch die gemeinsame Unterstützung von „intos“ und den niedrigschwelligen Sprachkursen des Multikulturellen Forums, sowie nicht zuletzt dank ihrer hohen Lernbereitschaft hat es die 41-Jährige geschafft.
Kulturelle Bildung
Mohammad Belal Abo Kood ist sprachlich schon ein ganzes Stück weiter. Kürzlich hat er die Prüfung für das B2-Niveau bestanden, verfügt also schon über fortgeschrittene Deutschkenntnisse. Am Projekt „intos“ nahm er vor allem teil, um Deutschland besser kennenzulernen. Etliche Bildungsausflüge hat der aus Syrien stammende Mohammad bereits mitgemacht, nach Köln, Bonn, Düsseldorf, Xanten. „Ich möchte mehr erfahren über die verschiedenen kulturellen Einflüsse, die dieses Land bis heute prägen“, erklärt der 30-Jährige. Seit Projektbeginn fanden mehr als 100 solcher Exkursionen, aber auch Workshops, bspw. zu Social Media-Nutzung, Rassismus, Antisemitismus, statt.
Orientierung und Vermittlung
Auch politisch ist Mohammad interessiert und engagiert sich ehrenamtlich in der Lokalpolitik sowie beim Arbeitskreis Flüchtlinge in Lünen. Mohammad hat schon vielen Menschen aus arabischsprachigen Ländern geholfen, etwa bei Behördengängen oder beim Ausfüllen von Formularen. Über „intos“ erfuhr er von einem Sprachmittler-Kurs beim Kommunalen Integrationszentrum Kreis Unna. Durch die erfolgreiche Teilnahme dort ist er nun in einem kreisweiten Übersetzerpool aufgeführt. Bei Bedarf wenden sich Behörden oder Schulen an ihn, wenn sie einen Sprachvermittler benötigen.
Fazit und Ausblick
Das Projekt „intos“, das am 31. März zu Ende gehen wird, hat nach Ansicht von Seher Kahraman sehr viel Positives auf dem Gebiet der Integration bewirkt, gerade weil es verschiedene Hilfs- und Orientierungsangebote miteinander kombinierte und insbesondere denjenigen offenstand, die bislang von Regelangeboten ausgeschlossen werden. „Wir haben Berührungsängste und Hemmnisse abgebaut und unterschiedliche Wege geebnet“, resümiert sie.
Dennoch fragt sie sich, ob die Teilnehmenden künftig auch ohne Hilfe ihr Ziel verwirklichen können. Für den bekennenden Frankfurt-Fan Sajed geht es jetzt erst einmal mit einem B2-Sprachkurs weiter. Anschließend strebt er ein Praktikum in einem Architekturbüro an. Mohammad lotet derzeit seine Chancen aus, eine Verwaltungsausbildung bei der Stadt beginnen zu können. Chinyere möchte gerne in einer Bank arbeiten, in Nigeria hat sie bereits Finanzmanagement studiert. Das ebenfalls vom Multikulturellen Forum durchgeführte Projekt „Starke Mütter – Starke Unternehmen“ begleitet sie auf diesem Weg.