Angekommen im ersehnten „Durchschnittsleben“
Cristina Catalina Baltariu haben wir schon einmal interviewt: Für unsere Broschüre „5 Starke Mütter. 5 Starke Unternehmen. Erfolgsgeschichten, die Mut machen“ erzählte sie uns damals von ihrem Weg nach Deutschland und ihren Zukunftsträumen. „Hauptsache ich finde eine Arbeit, die mir Spaß macht: im Büro, am PC, mit netten Kollegen. Ich wünsche mir einfach ein ganz normales deutsches Durchschnittsleben“` sagte sie damals. Heute ist sie genau dort angekommen: Sie arbeitet als Steuerfachangestellte in einer Kanzlei in Dortmund – dafür hat sie hart gearbeitet und die Unterstützung des Projektes „Starke Mütter – Starke Unternehmen plus“ angenommen.
Der schwierige Weg in den Beruf
Denn zunächst sah es nicht so aus, als könne ihr Wunsch schnell in Erfüllung gehen: Nach ihrem Studienabschluss der Wirtschaftswissenschaften in Rumänien konnte sie in ihrem Heimatland keine Anstellung finden – ein Schicksal, das sie mit vielen gut ausgebildeten Rumän:innen teilt. 2012 zog sie dann mit ihrem Mann nach Lünen, da er hier eine Anstellung als LKW-Fahrer gefunden hatte. Zu diesem Zeitpunkt lagen schon drei Jahre erfolgsloser Bewerbung hinter ihr – denn für einen guten Arbeitsplatz brauchte es neben einer guten Ausbildung mindestens auch gute Kontakte in Rumänien „oder eine Stange Geld“ betont Baltariu im Hinblick auf die Korruptionsprobleme in ihrem Herkunftsland. Den Umzug nach Deutschland verband sie mit einer neuen Hoffnung, hier eine passende Stelle zu finden, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und das angeeignete Wissen anzuwenden.
Schnell war ihr klar: Als erstes müssen gute Sprachkenntnisse her: „Denn ich wollte ja gerne meinem Fachgebiet treu bleiben, da sah ich einfach meine Stärke“. Bis zum weit fortgeschrittenen C1-Niveau war sie bereits gekommen, als sich ihr Kind ankündigte. Als ihr Sohn dann 2017 in den Kindergarten kam, machte sie sich erneut auf die Jobsuche – wieder ohne Erfolg: „Ich habe noch nicht einmal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten“.
Wie ein Projekt den Unterschied machen kann
Beatrice von Hall vom Projekt „Starke Mütter – starke Unternehmen plus“ kennt die Problematik: „Leider ist es für Mütter mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt immer noch schwierig. Arbeitgeber:innen haben nach wie vor viel zu häufig die Defizitbrille auf und befürchten schlechte Sprachkenntnisse, bürokratische Hürden oder Probleme in der Kinderbetreuung. Das ist nicht nur diskriminierend, sondern auch schlichtweg falsch – und obendrein unternehmerisch unklug.“ Von Hall unterstützt im Projekt gemeinsam mit ihren Kolleginnen Mütter mit Migrationshintergrund in ihrem beruflichen Neu- oder Wiedereinstieg. Das im Rahmen des ESF-Bundesprogramms „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt konnte schon über 200 Frauen den Weg in den Beruf ebnen. „Wir sehen in jeder Frau das Individuum mit den eigenen Stärken und Bedarfen – und setzen genau da an,“ betont von Hall. Ihre Teilnehmerinnen bringen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit sich: Akademikerinnen mit Berufserfahrung nehmen ebenso am Projekt teil wie Frauen mit nur wenigen Jahren Schulbesuch, die sich erstmals beruflich orientieren möchten. Das Unterstützungsangebot des Projekts reicht von persönlicher Beratung und individuellem Coaching bis hin zu Bewerbungstrainings, Workshops sowie der konkreten Unterstützung bei der Jobsuche.
Baltariu erfuhr von dem Projekt als sie die Beraterin der Erwerbslosenberatungsstelle (heute tätig unter dem Namen Beratungsstelle Arbeit) des Multikulturellen Forums in Lünen kontaktierte: „Ich habe mich natürlich direkt dort gemeldet, in der Hoffnung, hier Unterstützung bei der Arbeitssuche zu erhalten.“ So kam sie im wöchentlichen Müttercafé in Kontakt mit anderen Frauen in ähnlichen Situationen, erarbeitete im Coaching die nächsten Schritte ihrer Berufslaufbahn und erhielt Unterstützung im Verfolgen dieser. So stark ihr Wunsch war, in ihrem Fachgebiet tätig zu werden, so groß war auch ihre Bereitschaft, hierfür erneut die Schulbank zu drücken – und so reifte in ihr der Wunsch, eine Umschulung zur Steuerfachangestellten zu absolvieren. „Eine sehr anspruchsvolle Umschulung, auch für Bildungsinländer:innen,“ betont Beraterin Beatrice von Hall. Die Abbrecherquote sei hoch, daher werde die kostenintensive Umschulung erst nach eingehender Prüfung bewilligt. „Uns war es ein großes Anliegen, Frau Baltariu darin zu unterstützen, dass sie die Umschulung machen kann, denn wir waren uns sicher, dass sie es schaffen wird.“ Gemeinsam mit der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit Hamm, Martina Leyer, setzte sich von Hall für ihre Teilnehmerin ein. Der Erfolg ihrer Klientin gibt ihr nun recht: „Frau Baltariu hat die Umschulung mit Bravour gemeistert – und das, obwohl die Bedingungen durch die Corona-Pandemie auch noch erschwert waren und sie zwischenzeitlich ihr Kind beim Home Schooling unterstützen musste, wie so viele Mütter.“
Zielstrebigkeit, die belohnt wird
Es blieb nicht nur bei der erfolgreich beendeten Umschulung: Bereits drei Monate danach konnte Cristina Baltariu am 1. April ihre lang ersehnte Stelle antreten – bei Puplick & Engelhardt, einer Kanzlei mit Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und einer Rechtsanwältin in Dortmund. „Ohne Arbeitgeber:innen, die die Potenziale von Müttern mit Migrationshintergrund erkennen und für ihr Unternehmen einsetzen möchten, wären die Bemühungen, die Frauen zu unterstützen, nicht fruchtbar,“ betont Beatrice von Hall vom Projekt „Starke Mütter – Starke Unternehmen plus“. Deshalb arbeitet das Projekt eng mit zahlreichen Unternehmen aus der Region. „Frau Baltariu hat es auch durch das intensive Bewerbungstraining letztlich selbst geschafft, eine Anstellung zu finden. Doch bei vielen anderen Frauen hilft es über die erste Schwelle, wenn wir den Kontakt zu den Betrieben aufnehmen und unsere Teilnehmerinnen als potenzielle Mitarbeiterinnen vorstellen.“ Aus der positiven Erfahrung mit vermittelnden Teilnehmerinnen wachse dann häufig eine längerfristige Kooperation: „Denn wer einmal verstanden hat, welche Potenziale in den Müttern stecken, den brauchen wir nicht ein zweites Mal zu überzeugen,“ lacht von Hall.
Cristina Catalina Baltariu ist ihren Weg erfolgreich gegangen; sie ist an ihrem zu Beginn ihrer Projektteilnahme gesteckten Ziel angekommen. „Ein ganz normales, deutsches Durchschnittsleben“ – wo, wenn nicht im Steuerwesen könnte es dieses geben.