Eine globale Müllkatastrophe
Welcome to Sodom
Müll, soweit das Auge reicht! Eine Panoramaaufnahme von Agbogbloshie zeigt zu Beginn des Films das ganze Ausmaß dieser sozialen und ökologischen Katastrophe, die sich in einem Stadtteil der Hauptstadt Ghanas seit Jahren ereignet: Männer, Frauen und Kinder, auch einige Tiere laufen über den von Schrott und Schlamm bedeckten Boden. An etlichen Stellen brennt es, die Sicht ist durch dunkle Rauchwolken stark eingetrübt.
Rund 40.000 Menschen leben hier, unweit der wohl größten Müllhalde der Welt. Sie sind hier, weil sie Geld verdienen wollen, oder besser: Geld verdienen müssen. Damit sie genug zu essen für sich und ihre Familien haben, ihre Kinder zur Schule gehen lassen können, oder sich einen Pass besorgen können, damit sie möglichst bald von hier wegkommen.
Das vergiftete Geschäft mit Elektroschrott
So verschieden ihre Beweggründe auch sind, sie alle eint die Hoffnung auf schnelles Geld, indem sie sich auf die Suche nach Rohstoffen machen. Rohstoffen wie Kupfer, Aluminium oder Eisen, die sich in den Unmengen an Fernsehern, Monitoren oder Smartphones befinden. Um an das reine Metall zu gelangen, verbrennen sie Plastik und andere Kunststoffe.
Eine hochgiftige Angelegenheit, denn bei dieser „Recyclingmethode“ gelangen Blei, Phosphor, Kadmium, Quecksilber, Arsen und viele andere gesundheitsschädliche Stoffe in Mensch und Umwelt. Deshalb nennen die Menschen diesen Ort auch „Sodom“, der nach biblischer Überlieferung sündige Ort, den der Zorn Gottes trifft.
Die digitale Revolution und ihre Verlierer*innen
Der Dokumentarfilm „Welcome to Sodom“ lässt die Zuschauer hinter die Kulissen von Europas größter Müllhalde mitten in Afrika blicken und portraitiert die Verlierer*innen der digitalen Revolution. Dabei stehen nicht die Mechanismen des illegalen Elektroschrotthandels im Vordergrund, sondern die Lebensumstände und Schicksale von Menschen, die am untersten Ende der globalen Wertschöpfungskette stehen.
Die Müllhalde von Agbogbloshie nahe Accra in Ghana wird höchstwahrscheinlich auch letzte Destination für die Tablets, Smartphones und Computer sein, die wir morgen kaufen!
Wenn sich Aliwucisse Idriss den Film ansieht, kommt ihm einiges bekannt vor: Die Menschen, die mit selbst gebauten Magneten nach jedem Gramm Metall suchen, die skrupellosen Zwischenhändler, die immer wieder versuchen den Preis weiter nach unten zu drücken um ihre eigene Gewinnmarge zu erhöhen, auch die vielen Kinder, die unter den Lebensbedingungen besonders leiden, aber bereits tatkräftig mitrecyceln, am unteren Ende der Arbeitshierarchie versteht sich.
Als Jugendlicher hat er selbst dort gearbeitet. „Immer wenn das Geld knapp war, bin ich mit einem Kleinbus dort hingefahren“, erklärt er. Schließlich wuchs er nur wenige Kilometer entfernt in Ghanas Hauptstadt Accra auf. Seit 2014 lebt er in Deutschland. Wie in einer anderen Welt sei es hier, und meint insbesondere die Lebensbedingungen der Kinder, die hier kostenlos zur Schule gehen können, und denen es praktisch an nichts fehle.
Unsere imperiale Lebensweise
Und doch ist es die gleiche Welt, auf der wir leben, betont Marcos da Costa Melo vom Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung (FuGE) e.V.. Damit spielt er auf die imperiale Lebensweise im globalen Norden an, die letztlich für diese Zustände in Afrika verantwortlich ist. Obwohl so genannter Mülltourismus seit Jahrzehnten verboten ist, läuft das schmutzige Geschäft mit einigen Tricks munter weiter.
„So beuten wir den globalen Süden praktisch doppelt aus: Wir nehmen ihnen die Bodenschätze, stellen daraus Konsumgüter für den Norden her, und wenn wir sie nicht mehr benötigen, geben wir sie dem Süden zurück, damit sie dort abermals auf Kosten von Umwelt und Gesundheit als Rohstoffe an uns zurückgebracht werden“.
Was können wir dagegen tun?
Marcos da Costa Melo plädiert für mehr Genügsamkeit im globalen Norden. Bedeutet: Weniger Konsum, aber auch längerer Gebrauch von Gütern, beispielsweise durch Reparieren oder Wiederverwenden. „Hierfür gilt es vor Ort mehr Bewusstsein zu schaffen, aber auch entsprechende Handlungskompetenzen und Partizipationsmöglichkeiten zu vermitteln“, konstatiert David Kartal vom Projekt „Grün VEREINt vor Ort“, der die Filmvorführung mit anschließender Diskussion moderiert.
Er greift beispielsweise den Reparatur Aspekt auf, indem er für die kommenden Wochen verschiedene Austauschtreffen zwischen dem Multikulturellen Forum und dem Repair Café in Hamm, das u.a. vom Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung betrieben wird, ankündigt.
„So können beide Seiten profitieren: Unsere Teilnehmenden erhalten Zugang zu Reparaturmöglichkeiten und können sich mit anderen Interessierten austauschen. Gleichzeitig erhält das Repair Café neue Mitstreiter*innen und Unterstützer*innen.“
Alle sind sich an diesem Abend einig: Um den globalen Kreislauf an Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit zu durchbrechen, braucht es ein Umdenken bei uns. Hier sind wir alle ein Stück weit gefordert. Besser noch: Wir schließen uns zu interkulturellen Allianzen für mehr Nachhaltigkeit zusammen, denn vereint können wir mehr erreichen!