Rückblick: Internationaler Frauentag mit Film, Gespräch, Kunst und Fest

Pappteller mit Acrylfarben und malende Frauen in Atelier

Viele Ideen schwirrten durch die Köpfe der Beteiligten, als es um die Vorbereitung einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentags in Hamm ging und alle waren sie eine Verwirklichung wert. Mit zahlreichen Kooperationspartner*innen im Boot reifte schnell die Idee für die erste Aktionswoche - keine der Ideen sollte ausgelassen werden.

Ziel der Veranstaltungsreihe war es, insbesondere Frauen mit Migrations- und Fluchterfahrung in ihrem Bemühen um gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu unterstützen, sie durch Angebote der kulturellen Bildung in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken und durch die unterschiedlichen Vermittlungsformate wie Gesprächsrunden, bildende Kunst und Lesung miteinander und mit der Stadtgesellschaft in einen Austausch zu bringen. Das Projekt verfolgte nachhaltig den Anspruch, die Repräsentanz von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in Hamm zu erhöhen und die Stadtgesellschaft in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Diversität durch inter- wie transkulturelle Kulturarbeit zu unterstützen.

Preisgekrönter Film nimmt Traditionen kritisch in den Blick

Den Start machte die Woche am 3. März in den Räumen des Café KOMMA international im CVJM Hamm die Vorführung des Films „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya" in Kooperation mit der FUgE: Wie jeden Januar wirft der Priester am Dreikönigstag ein Kreuz in den örtlichen Fluss; das Ritual besagt, dass derjenige, der es als erster rausfischt, ein Jahr lang Glück hat. Nur dieses mal geht entgegen der Tradition und Erwartungen eine Frau als Siegerin aus dem Wettbewerb hervor. Der Film, der im vergangenen Jahr auf der Berlinale mit dem Gildepreis ausgezeichnet wurde und den Wettbewerb des Frauenfilmfestivals in Dortmund gewann, zog das Publikum in seinen Bann: Stark, ironisch und spannend zeichnete er ein Bild seiner Protagonistin als starke Persönlichkeit, die sich den patriarchalischen Strukturen in ihrer nordmazedonischen Heimatstadt mutig widersetzt. In ruhigen aber ausdrucksstarken Bildern erzählt der Film, angelehnt an eine wahre Begebenheit, was passiert, wenn eine Frau sich nicht mehr mit den ihr zugeteilten Rollen zufrieden gibt.

Für die anschließende Diskussion über Feminismus, Emanzipation und Frauenbewegung heute, Gleichberechtigung sowie Intersektionalität mit Akteur*innen aus Hamm bot der FIlm viele Anknüpfungspunkte. Auf dem von unserer Kulturreferentin Katharina Kühn moderierten Podium diskutierten die Gleichstellungsbeauftragte Uta Weischenberg, Maria Hagenschneider von der Initiative Maria 2.0, der Sozialanthropologe Dr. Miltiadis Zermpoulis (Multikulturelles Forum e.V.), Erzieherin und Sozial-&Theaterpädagogin Elif Okutan.

„Ein beeindruckender Abend"

resümmierte eine Besucherin der Veranstaltung am Ende des Abends, an dem über die Errungenschaften der Emanzipation ebenso gesprochen wurde wie über die nach wie vor bestehenden zahlreichen Herausforderungen auch für Hamm  - von häuslicher Gewalt, bis zum Equal Pay, von heteronormativen Geschlechterbilder und –rollen bis hin zu Mehrfachdiskriminierungen und Intersektionalität. „Wie kann eine geschlechtergerechte Welt als gemeinsames Projekt aller Menschen für alle grenzüberschreitend gelingen?" - diese Frage hallte als Utopie dem Abend nach.

Im Kunstworkshop reflektieren Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte über ihren Platz in der Gesellschaft

Am 4. und 5. März fand gefördert durch das Kulturbüro der Stadt Hamm für 20 Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund im Atelier des Vintage Wohnhauses unter Anleitung von Tanja Prill der Kunstworkshop „1000 Gesichert - eine Stadt" statt. Dieser ging neben der Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild über Themen wie Körperlichkeit und Weiblichkeit, vor allem der Frage nach der Selbstverortung in der Gesellschaft nach. Denn diese Fragen stellen sich insbesondere Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, denn nicht nur ihre äußere Erscheinung kann von normativen Weiblichkeitsbildern in der für sie neuen Gesellschaft abweichen, auch die damit verbundenen soziokulturellen Prägungen werden permanent thematisiert und zu einer alltäglichen Herausforderung, die die Prozesse des Ankommens im neuen Leben begleiten.

Die Frauen fertigten Gipsmasken und Selbstportraits an, die sie anschließend in Verbindung zueinander bringen konnten. Für alle war es der erste Versuch eines Selbstportraits, für einige überhaupt die erste Erfahrung mit Pinsel und Farbe. Wie sehe ich mich selbst? Die Masken stehen dabei für das, was man auf den ersten Blick sieht: die Gesichter der Menschen. Dieser erste oberflächliche Blick evoziert durch die Rahmung der Gesichter, deren Gestaltung durch Make-Up oder Brille, Kopftuch oder Locken, bestimmte Weiblichkeitsbilder und Stereotype. Der erste Blick hat die Macht, die Angesehenen soziokulturell zu verorten und ihnen aufgrund von Markern wie Hautfarbe oder Geschlecht Bedeutung zuzuweisen. Der Blick hat Macht: Er unterscheidet und kategorisiert, er kann im Prozess eines othering den Angesehenen zu eine*m Anderen machen, er schafft Ungleichheit und diskriminiert. Die Selbstaneignung der Maske, ihre Gestaltung und Kontextualisierung mit den anderen Masken ermöglichte den Frauen in einem Akt des empowerments aus einer subalternen Position herauszutreten und führt zur Neuverhandlung des bestehenden diskursiven wie symbolischen Feldes, in das ihr Anblick eingebunden ist. In dieser künstlerischen Praxis aber auch in den Gesprächen während des Workshops konnte es gelingen, Widersprüchlichkeiten in der Darstellung zu thematisieren und bestehende diskursive wie symbolische Gefüge aufzubrechen.

„Augen, die ich zeichne, sehen immer so traurig aus. Wahrscheinlich sind sie das einfach..."

Wie nimmst du mich wahr? Wie will ich gesehen werden? Neben der Selbstreflexion sollte das Projekt auch als Aufruf an die Stadtgesellschaft dienen, in den Dialog mit dem eigenen Sehen und den Angesehen zu treten, denn die fertigen Kunstwerke sollten im öffentlichen Raum der Stadtbücherei in Rahmen einer Vernissage öffentlich ausgestellt werden. Bedingt durch die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie musste die Ausstellung sowie die für den 4. April geplante Vernissage auf unbestimmt verschoben werden. Wir hoffen jedoch sehr, diese Veranstaltung demnächst nachholen zu können, denn innezuhalten und ‚neu‘ bzw. ‚anders‘ zu sehen ist eine Chance, den Fragen nach der Ermöglichung von Diversität unserer Gesellschaft nachzugehen. In diesem Sinne freuen wir uns auf Begegnungen vielerlei Art!

 

„Zuhause in Hamm" - im Gespräch mit Frauen aus dem Internationalen Frauenfrühstück

In der Buchhandlung Holota stellte die 88jährige Autorin Anneliese Beeck ihr Buch „Mit Mut ins neue Leben“ zum 10-jährigen Jubiläum des Internationalen Frauenfrühstücks vor. Eindrücklich schilderte sie ihre lebhaften Erinnerungen an die Lebensgeschichten der von ihr portraitierten Frauen aus aller Welt, die vereint, dass sie heute alle in Hamm leben. Moderiert von Otmar Rüther traten vier dieser Frauen dann in ein Gespräch über Migration und Flucht, ihre Ursachen und Folgen. Die Frauen aus Irland, Sri Lanka, Bulgarien und von den Philippinen beleuchteten aber auch das Ankommen im neuen Leben, insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Frauen, die häufig Initiatorinnen und Schlüsselpersonen für die neue Zukunft ihrer Familien darstellen. Ein Blick in genau diese Zukunft durfte ebenfalls nicht fehlen:

Als größten Wunsch formulierten die Frauen übereinstimmend, nach Jahren in Hamm nicht mehr als „die Anderen" gesehen zu werden. Wann hört das auf?

Begleitet wurde die Veranstaltung von transkultureller Musik der Gruppe Anadolu’nun Tinilari vom Alevitischen Kulturverein e.V. Hak Bir und kulinarischen Köstlichkeiten von Frauen des Internationalen Frauen-Forums e.V.

 

Ein Fest für alle zum Internationalen Frauentag

Ein Novum war in diesem Jahr nicht nur die Aktionswoche sondern auch das große Fest zum Internationalen Frauentag: Etwa 100 Gäste feierten im Gemeindehaus der Christuskirche und ließen die Woche Revue passieren. Ein beeindruckendes Mahl bereitete den Gästen das Mädchenprojekt der Stadtteiljugendarbeit Hamm Westen unter der Leitung von Sonja Knobloch. Nach Grußworten von Schirmherrin und Bürgermeisterin Ulrike Wäsche und Pfafferin und Frauenbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Hamm genossen die Frauen vom Internationalen Frauenfrühstück und alle Frauen, die an den Aktionen der Woche teilgenommen hatten - die meisten von ihnen mit Flucht- und Migrationsgeschichte - Musik- und Tanzdarbietungen und erlebten zum Ausklang der Woche ein vielfältiges und stimmungsvolles Fest.

 

Veranstalter*innen der Aktionswoche:

Multikulturelles Forum e.V.

Bildungswerk Multi Kulti

Internationales Frauenfrühstück Hamm e.V.

 

Partner*innen und Unterstützer*innen der Aktionswoche:

Kommunales Integrationszentrum der Stadt Hamm

Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung e.V.

Ich+Du - Hammer Dialog der Kulturen

Jugendarbeit Hamm-Westen

CVJM

Evangelischer Kirchenkreis Hamm

Vintage Wohnhaus Hamm

Buchhandlung Holota

Gleichstellungsstelle der Stadt Hamm

Kulturbüro der Stadt Hamm

 

 

 

 

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