Und was kann ich tun? – Was wir gegen Rassismus & Ausgrenzung und für unsere Demokratie tun können (und müssen)



Tagungsbericht: 24. Bocholter Forum für Migrationsfragen
Am ersten Aprilwochenende 2025 versammelten sich Engagierte und Praktiker*innen aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung, Bildung und Migrant*innenorganisationen zum 24. Bocholter Forum für Migrationsfragen. Unter dem Motto „Und was kann ich tun?“ widmete sich die Veranstaltung der Frage, wie jede und jeder Einzelne gegen Rassismus und Ausgrenzung aktiv werden und damit die demokratische Kultur stärken kann.
Organisiert von der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Academia Española de Formación und dem Multikulturellen Forum e.V., bot das Forum Raum für Debatte, Empowerment und Strategien gegen diskriminierende Strukturen. Durch die Tagung führte Zeynep Kartal vom Multikulturellen Forum e.V.
Samstag, 05. April 2025
Eröffnung & Impulsvorträge
Der Tag startete mit einem dialogischen Einstieg der Veranstaltenden zur gesellschaftlichen Situation in Deutschland, wobei Fragen nach Verunsicherung, Polarisierung sowie gesellschaftlicher und politischer Verantwortung im Raum standen. Anschließend hielt Gilda Sahebi, Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Autorin, einen eindrücklichen Vortrag zum Thema „Narrative Macht – Wie Sprache und Geschichten unsere Demokratie prägen“. Sie zeigte auf, wie diskriminierende Narrative in gesellschaftliche Diskurse einsickern und diese prägen, und rief dazu auf, negativen Narrativen aktiv entgegenzutreten – durch kritische Selbstreflexion, bewusste Sprachverwendung, Aufklärung und das Verbreiten alternativer Geschichten. Erzählungen seien so wirksam, weil sie auf der emotionalen Ebene ansetzten und rationale Fakten schlügen. Voraussetzung für gesellschaftlichen Wandel sei es, die vorherrschenden Erzählungen zu kennen und sichtbar zu machen: „Was nicht gesehen wird, kann auch nicht verändert werden.“
In seinem anschließenden Vortrag gab Eóin Young vom International Centre for Policy Advocacy (ICPA) Einblicke in wirkungsvolle Ansätze zur strategischen Narrativarbeit. Er zeigte auf, wie die sogenannte „bewegliche Mitte“ mit gezielten Kommunikationsstrategien erreicht werden kann. Anhand des Praxisbeispiels der Kampagne #KommMit illustrierte er, wie Werteorientierung, Storytelling und empirische Testverfahren erfolgreich kombiniert werden können, um emotional anschlussfähige Erzählungen zu entwickeln. Young betonte die Notwendigkeit langfristiger, wertebasierter Kommunikationsarbeit, um polarisierenden Narrativen langfristig etwas entgegenzusetzen und gesellschaftliche Veränderung zu ermöglichen.
Vier parallele Workshops am Nachmittag
Im ersten Workshop-Block am Samstag wurden zentrale Aspekte von Engagement, Beteiligung und Kommunikation im Kontext von Rassismus und Demokratie vertieft.
Der Autor und Aktivist Ali Can bot mit seinem Workshop zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements einen praxisnahen Raum für Reflexion, Austausch und Empowerment. Die Teilnehmenden entwickelten gemeinsam Ideen für Projekte und Handlungsoptionen gegen rassistische und rechtsextreme Ideologien im Alltag.
Die Dortmunder Ratsmitglieder Fatma Karacakurtoğlu und Dominik De Marco diskutierten in ihrem Workshop parteipolitische Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte. Im Fokus standen strukturelle Hürden, Diskriminierung und Herausforderungen im politischen Engagement. Viele Teilnehmende berichteten von ähnlichen Erfahrungen des Ausschlusses, gleichzeitig gab es großen Zuspruch zur (Notwendigkeit der) aktiven Mitgestaltung der Politik.
Der Anti-Rassismus-Trainer, Blogger und Journalist Said Rezek sensibilisierte in seinem Workshop für rassistische Hate Speech im Netz und vermittelte konkrete Strategien für Counter Speech. Deutlich wurde, dass man immer auch an die Mitlesenden denken muss, die möglicherweise erst dabei sind, sich eine Meinung zu bilden. Die Teilnehmenden lernten, wie sie digitale Räume aktiv mitgestalten und einer Verrohung der Debattenkultur entgegenwirken können.
Im vierten Workshop führte Eóin Young in Methoden strategischer Narrativarbeit ein. Der Workshop hatte zum Ziel, ein tieferes Verständnis für die wesentlichen Schritte beim Aufbau einer authentischen, empirisch fundierten und wertebasierten Narrativ-Strategie zu entwickeln, die darauf abzielt, die bewegliche Mitte zu erreichen. Dafür wurden sechs verschiedene Mitte-Typen thematisiert. Um den Typus der „Etablierten“ besser kennenzulernen, wurden zwei Werte-Mapping-Übungen durchgeführt, deren Ergebnisse vorgestellt und diskutiert wurden.
Fishbowl-Diskussion & Open space
Der Samstag endete mit einer Fishbowl-Diskussion: „Und was kann ich tun?“ – ein lebendiges Format, bei dem Ergebnisse aus den Workshops vorgestellt und die Teilnehmenden eigene Perspektiven einbringen konnten. Im Anschluss daran bot ein offenes Vernetzungsformat Gelegenheit zum näheren Kennenlernen, zum Austausch und zur Initiierung zukünftiger Kooperationen.
Sonntag, 06. April 2025
Drei parallele Workshops am Vormittag
Der Sonntag begann mit drei parallel stattfindenden Workshops, die sich unterschiedlichen Aspekten der Auseinandersetzung mit Diskriminierung und der Förderung von Chancengleichheit widmeten.
Der erste Workshop mit Jannik Willers vom Multikulturellen Forum e.V. thematisierte das Konzept „Allyship“, also der aktiven Unterstützung von marginalisierten Gruppen durch diejenigen, die selbst nicht von Diskriminierung betroffen sind. Es wurde deutlich, dass „Allies“ bereits ein müssten, ihre Privilegien zu erkennen, ihre eigenen Vorurteile zu hinterfragen und Kritik anzunehmen, was häufig ein schmerzhafter Prozess ist. Im Workshop wurde gemeinsam erarbeitet, wie Verbündete in ihrem Engagement handeln können, was sie dafür benötigen und welche konkreten Veränderungen sie in ihrer Umgebung bewirken können.
Im zweiten Workshop stand das Thema Empowerment im Fokus. Djalila Boukhari, Bildungsreferentin des awareness kollektiv, ging darauf ein, wie Menschen, die von Rassismus betroffen sind, in ihrem Alltag unterstützt werden können. Dabei lag der Schwerpunkt auf rassismuskritischer Bildung und der Stärkung der eigenen Ressourcen und Widerstandskraft. Die Teilnehmer*innen erfuhren, wie Empowerment zur Selbststärkung beiträgt und dass Sensibilisierungsprozesse dabei eine zentrale Rolle spielen.
Der dritte Workshop widmete sich dem Thema „Institutioneller Rassismus in der Bildung“. Der Soziologe Wolfgang Sieber zeigte auf, wie stark der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status von Familien und dem Bildungserfolg von Kindern in Deutschland ist. Kinder mit Migrationshintergrund sind häufig strukturell benachteiligt, was u.a. in durch Studien belegte Neigungen von Lehrkräften, diese Kinder für niedrigere Schulformen zu empfehlen oder sie bei der Bewertung von Leistungen, wie Diktaten, schlechter zu beurteilen, zum Ausdruck kommt. Im Workshop wurde die wichtige Bedeutung einer Verbesserung der Lehrerausbildung, der Mobilisierung und Einbindung von Eltern, der politischen Verantwortungsübernahme sowie von kommunalen Bündnissen betont.
Als Schlusspunkt der Tagung wurden die Ergebnisse aus den Workshops auf dem Podium vorgestellt und in einer Fishbowl-Runde mit dem Plenum diskutiert.
Fazit
Das Bocholter Forum 2025 bot weit mehr als theoretische Reflexion: Es gab viel Raum für kritisches Nachdenken, gegenseitige Stärkung, konkrete Handlungsplanung und Vernetzung. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie kann demokratisches Handeln im Alltag gelingen – trotz und gerade aufgrund aktueller Herausforderungen und Entwicklungen?
Die zahlreichen Praxisbeispiele, persönlichen Perspektiven und dialogorientierten Formate machten einmal mehr deutlich: Die Demokratie braucht engagierte Menschen, die sich nicht mit Lippenbekenntnissen zufriedengeben, sondern aktiv Verantwortung übernehmen.