„Ni Una Menos" – Ein Protest geht um die Welt

Ni una Menos
© Juan Mathias

Ein Projekt über Frauen*rechte, weibliche Selbstbestimmung und Solidarität

Wir befinden ins mitten in der Ausstellungsphase von Ni Una Menos“ - vom 29. Oktober bis zum 25. November sollten die beeindruckenden und bewegenden Fotografien des Fotografen Juan Mathias im Dietrich-Keuning-Haus in Dortmund zu sehen sein. Im Rahmen von Netzwerktalks hätten wir uns mit den Besucher*innen über Fragen, Erfahrungen und Ideen ausgetauscht, hätten in geführten Rundgängen durch die Ausstellung vertiefte Einblicke in die feministische Bewegung angeboten und gemeinsam in Empowerment-Workshops Kraft getankt. Doch leider hat uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Darum freuen wir uns umso mehr, heute dennoch in Form eines Interviews mit dem Ausstellungskollektiv Ni Una Menos Einblicke in die Ausstellung und das behandelte Thema der Frauen*rechte, weiblichen Bestimmung und Solidarität geben zu können. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an das Ausstellungskollektiv Ni Una Menos für ihr Engagement! Und falls es die Vorgaben ermöglichen, wird die Ausstellung dann auch ab Dezember live im Dietrich-Keuning-Haus zu besichtigen sein.

Zwei Menschen bauen Ausstellung auf

Seit 2017 organisiert ihr eine Wanderausstellung des argentinischen Fotografen Juan Mathias, mit dem ihr persönlich befreundet seid, und verfolgt über ihn und vor allem viele Frauen* in Argentinien den Kampf der feministischen Bewegung Ni Una Menos. Wie habt ihr von dieser Frauen*bewegung erfahren?

Durch Zufall fiel eine lange Reise durch Südamerika in die Anfangszeit der Bewegung. Im Jahr 2016 war diese im öffentlichen Raum und in der gesellschaftspolitischen Diskussion Argentiniens omnipräsent: neben Demonstrationen mit zum Teil über 100.000 Teilnehmer*innen auch durch z.B. kleine künstlerische Aktionen oder die allgemeine mediale Aufmerksamkeit.

 

Warum ist sie für euch bedeutsam geworden?

Ni Una Menos offenbart schonungslos uralte und tief in der Gesellschaft verankerte Probleme, welche in sexualisierter und geschlechtsbasierter Gewalt gegen Frauen* münden. Es ist ein immer noch weit verbreiteter Irrtum, dass diese Gewalt sich mehrheitlich in einzelnen, abtrennbaren Bereichen einer Gesellschaft abspielt. Ni Una Menos vereint Menschen und vor allem Frauen* aller sozialen Schichten, Bildungshintergründe und Wurzeln. Also eben alle, die von Gewalt gegen Frauen* betroffen sind.

 

Welche Themen greift Ni Una Menos konkret auf? Wie und wodurch hat sich der Protest, eurer Meinung nach, zu einem transnationalen Phänomen entwickelt?

Der Name Ni Una Menos bedeutet im deutschen etwa „Keine mehr“ oder „Keine weniger mehr“. Er bezieht sich auf die hohe Zahl an Femiziden, also der Tötung einer Frau* aufgrund ihres (zugeschriebenen) Geschlechtes in Argentinien. Der Kampf gegen diese Femizide und die zugrundeliegenden patriarchalen Gesellschaftsstrukturen bilden die Grundlage der Bewegung. Angefangen mit ersten Massendemonstrationen im Juni 2015, haben sich die Themenbereiche mittlerweile ausdifferenziert und umfassen auch andere Felder feministischer Politik. So ist unter anderem auch der Kampf für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und das generelle Aufzeigen von Gegenentwürfen zum vorherrschenden kapitalistischen System zu einem wichtigen Bestandteil geworden.

Der Grund für die Transnationalität von Ni Una Menos lässt sich unserer Meinung nach sehr einfach mit dem auslösenden Problem begründen. Sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt gegen Frauen* ist eben kein regional oder auf bestimmte Gesellschaftsbereiche eingrenzbares Problem. Gewalttätige, patriarchale Machtstrukturen ziehen sich wie ein roter Faden durch die allermeisten Gesellschaften und Kulturen der Welt. So ist es für uns eine fast logische Konsequenz, dass der Aufschrei „Ni Una Menos“ in vielen Ländern aufgegriffen und weiterformuliert wurde. Als Beispiele ließen sich hier „Non Una Di Meno“ aus Italien oder „Keine mehr“ aus Deutschland nennen.

Dass sich der Protest zu einem transnationalen Phänomen entwickelte, ist zudem mit der internationalen Vernetzung der globalen Frauen*bewegung zu erklären.

 

Wie seid ihr zum Ausstellungskollektiv Ni Una Menos geworden?

Nachdem wir den Fotografen Juan Mathias 2016 kenngelernt hatten, entwickelten wir mit ihm zusammen Ideen, um den Kampf der Bewegung Ni Una Menos mit Hilfe seiner Bilder bekannter und sichtbarer zu machen. Mit den Wanderausstellungen versuchen wir als feministische Gruppe möglichst viele verschiedene Menschen zu erreichen und somit auf den Kampf von Ni Una Menos und die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Missstände aufmerksam zu machen. Wichtig ist uns dabei vor allem das Aufzeigen der Tatsache, dass sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt gegen Frauen* eine globale Problematik darstellt.

 

Seit wann zeigt ihr die Bilder in Deutschland? Wo hattet ihr bisher Ausstellungen?

Die ersten Ausstellungen fanden Anfang 2017 statt. Seitdem war die Ausstellung in vielen Städten wie zum Beispiel Münster, Bochum, Bonn, Frankfurt am Main, Darmstadt und Leipzig zu Gast. Nachdem die Bilder zuletzt in einem Frauenhaus in Dieburg hingen, sind sie nun hier in Dortmund ausgestellt.

Zwei Menschen fassen sich an den Händen
© Juan Mathias

Wie war die Resonanz auf euer Projekt? Gab es Kritik an der Ausstellung, wenn ja, worauf zielte sie ab?

Tatsächlich ist die Resonanz bisher immer sehr positiv ausgefallen. Es gibt jedes Mal ein großes Interesse an unseren Ausstellungen. Wir gehen natürlich gerne davon aus, dass dies zumindest zum Teil an den Fotografien und der Art unserer Veranstaltungen liegt. Andererseits zeigt es auch ganz einfach, wie viele Menschen von dem Thema persönlich betroffen sind. Zum Teil kommt es zu sehr emotionalen und persönlichen Reaktionen auf die Fotos oder andere Elemente der Ausstellung. Der Versuch, einen sicheren Raum für diese Reaktionen zu schaffen, stellt mit Sicherheit die größte Herausforderung für uns dar.

Kritik gab es bisher erfreulicherweise nur an einzelnen inhaltlichen Details. Diese Anregungen sind für uns sehr wichtig, da wir keine ausgebildeten Künstler*innen o.ä. sind und das gesamte Projekt der Ausstellung für jede*n einzelne*n von uns ein Lernprozess ist.

 

Mit wem arbeitet ihr bei euren Ausstellungen zusammen? Was ist euch wichtig?

Bei den Ausstellungen soll nach unserer Vorstellung ein Raum des Austauschs entstehen. Wir versuchen deswegen immer, lokalen Strukturen in den jeweiligen Städten eine Teilhabe an den Veranstaltungen zu ermöglichen. Gerade in Bezug auf das Schaffen von sicheren Räumen und den Support von durch sexualisierte und geschlechtsbasierte Gewalt betroffenen Besucher*innen ist dies enorm wichtig. Wir sind auf diesem Gebiet keine Expert*innen und können und wollen deswegen keinen Ersatz für etablierte Strukturen und professionelle Hilfsangebote bieten.

 

Welche zukünftigen Pläne und neuen Ideen habt ihr? Wo können wir Ni Una Menos als nächstes sehen – und wie?

Wir freuen uns immer darauf, den Inhalt unserer Ausstellung weiterzudenken und weiterzuentwickeln. So ist zuletzt neben den Fotos ein interaktiver Bestandteil, in dem Besucher*innen (wenn gewünscht) ihre persönlichen Erfahrungen mit sexualisierter und geschlechtsbasierter Gewalt teilen können, hinzugekommen. Aktuell ist außerdem noch eine Soundinstallation der feZ (feministische Zusammenkunft), einem Kunstkollektiv aus Frankfurt am Main, Teil der Ausstellung.

Grundsätzlich möchten wir die Fotoausstellung in Zukunft weiter gerne als Plattform für andere Formen von Veranstaltungen wie Workshops, Konzerte, etc. nutzen. Wann und wie sich diese Pläne umsetzen lassen, ist pandemiebedingt für uns derzeit leider nicht absehbar.

 

Wo finden wir mehr Infos über euch oder wie können wir euch bei Interesse am besten erreichen?

Wir sind auf Facebook (Ausstellungskollektiv Ni Una Menos) und Instagram (ausstellungskllktv_niunamenos) zu finden oder per E-Mail (ausstellung@ni-u-me.de) erreichbar.

Besonders freuen wir uns immer über Ideen für neue Ausstellungsorte/-formen. Außerdem verleihen wir die Fotos auch gerne, wenn Menschen eigene Veranstaltungen damit erweitern möchten.