Jüdisches Leben als Thema an Schulen
Der 16-Jährige Dima ist Schüler an einem Gymnasium, und er ist Jude. Was eigentlich keine Rolle spielen sollte, wird in seinem Umfeld jedoch immer wieder thematisiert. Nach einem geschmacklosen Witz eines Klassenkameraden eskaliert die Situation und es kommt zu einem Schulverweis.
Diese Geschichte ist erfunden, doch sie könnte sich in dieser oder vergleichbarer Form in jeder Schule in Deutschland abspielen, auch beim Lippe-Berufskolleg in Lünen. Deshalb zeigten wir den dortigen Schüler:innen den Film "Masel Tov Cocktail" und besprachen das Thema "Jüdisches Leben im heutigen Deutschland" anschließend u.a. mit den Drehbuchautor:innen.
Stereotype Darstellungen vermeiden
Rund 70 Schüler:innen schauten an diesem Tag den Film „Masel Tov Cocktail“ von Arkadij Khaet und Merle Teresa Kirchhoff. der bereits vielfach ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Deutschen Menschenrechts-Filmpreis, dem Grimme-Preis und im Rahmen des Unabhängigen FilmFests Osnabrück.
Anschließend erklärten Khaet und Kirchhoff, wie die Idee dazu entstanden ist: Sie wollten einen Film drehen, der zeigt, was es heißt und wie es sich anfühlt als Jude oder Jüdin in Deutschland aufzuwachsen. Vorurteile und Stereotype prägen ihren Alltag, was Khaet auch auf die mediale Berichterstattung zurückführt.
So stelle etwa die Filmbranche jüdisches Leben immer nur im Kontext der Vergangenheit oder als streng religiös dar. Mit seinem Film wollte er weg von der stereotypen Darstellung und stattdessen vielfältige jüdische Lebenswirklichkeiten aufzeigen. Kirchhoff ergänzt, dass der Film nicht nur junge Menschen, sondern auch Erwachsene inspiriert, sich mit den eigenen Bildern im Kopf kritisch auseinanderzusetzen.
Antisemitismus heute
Einige Schülerinnen und Schüler wollten wissen, wie weit verbreitet Antisemitismus heute in Deutschland ist. Die Antidiskriminierungsberaterin Johanna Lauke berichtet von verschiedenen Fällen, die den Erfahrungen des Protagonisten Dima stark ähneln. Anschließend stellt sie die Beratungsstelle ADIRA (Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus) vor, an die sich alle Schüler:innen mit Diskriminierungserfahrungen wenden können.
Auf Nachfrage eines Schülers, wie man denn Diskriminierung erkennen könne, erklärte Lauke, dass diese manchmal ganz subtil sein kann und auch Sprache bereits verletzen und ausgrenzen kann. Sie ermutigte die Schüler:innen, auf ihr „Bauchgefühl“ zu hören und Unterstützung von anderen einzuholen.
Gemeinsame Erfahrungen in der Migrationsgesellschaft
Die Projekttage des Lippe-Berufskollegs fanden in diesem Jahr unter dem Motto „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ statt. Die Idee für die Filmvorführung mit anschließendem Publikumsgespräch hatte Kübra Kenger von unserer Integrationsagentur. Kenger lud nicht nur die externen Gäste in die Schule ein, sondern holte sich außerdem noch Unterstützung durch ihre Kolleginnen im Projekt "Muslime im Dialog".
Gemeinsam führten sie zusätzlich zur Filmvorführung mit zwei ausgewählten Schulklassen einen Workshop zum Thema "Antisemitismus" durch. Zu beiden Veranstaltungen fällt ihre Bilanz positiv aus:
„Viele der Schülerinnen und Schüler aus muslimisch geprägten Familien können sich mit dem Hauptdarsteller Dima identifizieren, weil sie in ihrem Alltag nicht selten mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen haben.“
Die Lehrerin Dörte Sancken bedankt sich für die tolle Kooperation und zeigt sich erleichtert, dass die Veranstaltung kurzfristig doch in Präsenz stattfinden konnte. „Auf diese Wiese entstand ein Austausch auf Augenhöhe zwischen den Schülerinnen und Schülern und den eingeladenen Gästen. Das war ein sehr eindrucksvolles Erlebnis für alle“, betont Sancken.