Vorurteile und Rassismus – auch in Dortmund!?

Auf den Spuren gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
Wie entstehen Vorurteile? Und welchen Einfluss haben diese auf das Zusammenleben in der Stadt? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Stadtrundgang am 21. Juni 2019 durch die Dortmunder Innenstadt. In Begleitung von Sabrina Beckmann und Canan Demirkol vom Multikulturellen Forum e.V. begaben sich rund 50 Kirchentagsbesucher auf die Spuren verschiedener Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Nicht immer sofort erkennbar
„Ob Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus, Abwertung von Trans*Menschen oder Rassismus, die Themen und Problematiken sind vielschichtig und teilweise nicht sofort erkennbar. Doch blickt man genauer hin, kommen sie deutlich zum Vorschein“,
erklärte Sabrina Beckmann, die am Dortmunder Vereinsstandort das Projekt „VielfaltPlus“ leitet. Ziel des Projekts ist es, Stereotype aufzudecken, Diskriminierungen zu erkennen und die eigenen Denk- und Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen.
Eine wichtige Kompetenz in einer offenen, durch Vielfalt geprägten Gesellschaft. Deshalb führte sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Canan Demirkol von der Flüchtlingsberatung des Multikulturellen Forums den Stadtrundgang exklusiv für die Besucher des Kirchentages an.
Diskriminierung im Standesamt?
Die erste Station führte zum Dortmunder Standesamt, wo die Diskriminierung von Homosexuellen und Trans*Menschen im Mittelpunkt stand. Zwar gibt es inzwischen die Möglichkeit einer gleichgeschlechtlichen Ehe, jedoch haben insbesondere Transsexuelle nach wie vor mit bürokratischen Hürden zu kämpfen, erklärt Beckmann.
Von der Nazizeit zur Gegenwart
Anschließend ging es weiter zum Gedenkstein für Kurt Dorr vor dem Rathaus. Dorr wurde während der Nazizeit wegen Homosexualität, „Umhertreibens“ und Bettelei verhaftet. Wenig später starb er im KZ Sachsenhausen.
Der Bogen zur Gegenwart wurde anhand von Medienbildern über Obdachlose und Langzeitarbeitslose gespannt. Die Besucher stellten fest, dass die Berichterstattung über bestimmte Bevölkerungsgruppen auch heute noch zum Teil sehr stark mit Stereotypen und Vorurteile durchsetzt sind.
Institutionelle Diskriminierung
Am Parkdeck nahe der Berswordthalle wurden Zitate aus der operativen Fallanalyse zu NSU-Opfern vorgelesen. Schnell war klar, worum es geht: Zunächst hatte niemand an mögliche Täter aus der rechten Szene gedacht. Stattdessen unterstellte man den Opfern, Mitglieder von kriminellen Gruppen gewesen zu sein. „Ein typischer Fall von unbewusster institutioneller Diskriminierung“, erklärt Canan Demirkol.
Othering
Die vierte Station führte zu einem Reisebüro, wo das Thema „Othering“ im Fokus stand. Damit wird die Zuschreibung bestimmter Bevölkerungsgruppen zu bestimmten Eigenschaften und Verhaltensweisen verstanden. Als Beispiele fungierten einerseits der Orient in der Vergangenheit, der in Literatur und Medien häufig romantisiert wurde, und andererseits der Islam, der heutzutage regelrecht dämonisiert werde.
Antisemitismus früher und heute
Letzte Station des Rundgangs war der Platz der alten Synagoge, wo das Thema „Antisemitismus“ offenkundig wird. Dass dieser auch nach Ende der Nazizeit weiterhin bis in die Mitte der Gesellschaft reicht, wurde anhand von Zuschriften an die israelische Botschaft und den Zentralrat der Juden belegt. Sabrina Beckmann betonte, dass es sich bei den vorgelesenen Briefen keineswegs um Extremisten aus dem rechten Milieu handelt, sondern dass die Absender mitunter Lehrer, Anwälte und Professoren seien.
Als Fazit aus dem Rundgang lässt sich somit feststellen, dass Vorurteile und Rassismen auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts an der Tagesordnung sind, und es viel Engagement und Aufklärung braucht, um diese aus dem Weg zu räumen.