Berufliche Anerkennung – dieser Begriff ist mehrschichtig und kann zweierlei bedeuten: Gemeinhin beschreibt er die gesellschaftliche Akzeptanz einer Qualifikation; zugleich bezeichnet er aber auch das Verfahren der Bewertung und, bei positivem Verlauf, das Ergebnis – nämlich die Bestätigung, dass ein ausländischer Berufsabschluss gleichwertig mit einem deutschen Abschluss ist.
Berufliche Anerkennung in reglementierten Berufen
Um sich erfolgreich auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben zu können, ist in vielen Berufen die Anerkennung der beruflichen Qualifikation hilfreich. Für viele Berufe ist sie eine wichtige, für einige sogar eine zwingende Voraussetzung, um sie in Deutschland überhaupt ausüben zu dürfen.
Das gilt insbesondere für die sogenannten reglementierten Berufe. Dazu zählen in Deutschland ungefähr 60 Berufe, zumeist in der Gesundheitsversorgung wie Arzt oder Krankenpfleger, aber zum Beispiel auch Rechtsanwalt, Lehrer, Erzieher oder Ingenieur.
Die Reglementierung soll die Einhaltung hoher Qualitätsstandards gewährleisten. Ohne eine Anerkennung dürfen trotz eines im Ausland erworbenen Berufsabschlusses diese Berufe in Deutschland nicht ausgeübt werden; auch die Berufsbezeichnung oder der Titel (z. B. Ingenieur) darf nicht geführt werden.
Bedeutung in nicht reglementierten Berufen
Keine unerlässliche Voraussetzung ist eine Anerkennung in den nicht reglementierten Berufen. Hier kann man sich auch ohne berufliche Anerkennung direkt auf dem Arbeitsmarkt bewerben und in seinem Beruf arbeiten. Zu diesen Berufen gehören in Deutschland viele Ausbildungsberufe, u. a. also die Berufe, die im dualen System ausgebildet werden.
In diesen Berufen kann eine Bewertung des Berufsabschlusses aber hilfreich sein, um Arbeitgebern und Unternehmen die eigene im Ausland erworbene Qualifikation verständlicher zu machen. Sinnvoll kann die Anerkennung des Abschlusses auch sein, um Zugang zu beruflichen Fortbildungen zu bekommen.
Rechtsanspruch auf Verfahren
Seitdem im April 2012 das Anerkennungsgesetz in Kraft getreten ist, haben alle Personen mit einem ausländischen Berufsabschluss einen Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Prüfung der Gleichwertigkeit bzw. der Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen. Dieser Anspruch besteht unabhängig von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus.
Asylsuchende und Flüchtlinge haben genau so die Möglichkeit, ihren Berufsabschluss anerkennen zu lassen. In den allermeisten Fällen wird allerdings auf Gleichwertigkeit geprüft. Für nicht reglementierte akademische Berufe lässt sich eine Zeugnisbeurteilung einholen.
Hohe Verfahrenshürden
Trotz des Gesetzes ist die berufliche Anerkennung in Deutschland eine für viele Menschen sehr intransparente, hochbürokratische und wenig verständliche Sache. Für die Anerkennung von ausländischen Berufs- und Studienabschlüssen sind bundesweit unterschiedlichste Institutionen zuständig. Hier die richtige Anerkennungsstelle oder – bei einer Teilanerkennung - eine geeignete Qualifizierungsmaßnahme zu finden, ist oftmals sehr schwierig.
Vor allem angesichts des immer weiter steigenden Bedarfs an qualifizierten Kräften in immer mehr Branchen stellt sich die Frage, warum Zuwanderern hinsichtlich ihrer Arbeitsmarktintegration nach wie vor solche Hürden entgegengesetzt werden, der Zugang zu beruflicher Anerkennung nicht weiter erleichtert und ein fairer Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird.
Die föderale Zersplitterung oder – auch gemessen am Umgang anderer europäischer Staaten – in Deutschland sehr eng ausgelegte Vorgaben stehen dem im Wege.
Keine Chancengleichheit
Berufliche Chancengleichheit ist für viele Migrant*innen auch heute immer noch nicht erreicht. Das zeigt sich in einer im Vergleich zu Einwohnern ohne Migrationshintergrund nach wie vor höheren Arbeitslosigkeit, in einem geringeren Zugang zu Fort- und Weiterbildung oder in einer häufig unterhalb ihres eigentlichen Qualifikationsniveaus angesiedelten Beschäftigung.
Die Arbeitsplätze von Zugewanderten finden sich öfter in risikoreichen Branchen, sie sind eher befristet, bieten weniger Aufstiegschancen, sind schlecht bezahlt, körperlich belastend und gesundheitlich riskant. Im Vergleich zu Einheimischen haben Migrant*innen eine wesentlich höhere Selbständigkeitsquote – oft einfach aus der Not heraus, weil ihre Berufsqualifikation nicht anerkannt ist.
Unter dem eigentlichen Wert der eigenen beruflichen Qualifikation oder des Bildungsabschlusses – ob im Ausland oder in Deutschland erworben - arbeiten zu müssen, bedeutet soziale Deklassierung.
Faire Chancen - ein Gewinn für Alle
Um die existierenden mannigfaltigen Potenziale von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nutzbarer zu machen, würde heißen, ihnen einfachere und faire berufliche Chancen zu ermöglichen. Nicht zuletzt würden aber auch die Unternehmen und die gesamte Gesellschaft durch die Erschließung dieser längst in Deutschland lebenden Arbeitskräftereserve profitieren.
Fachberatung Berufliche Anerkennung
Die Beratungsstelle des Multikulturellen Forums arbeitet als Verweisberatung. Oberstes Ziel ist, den Ratsuchenden Klarheit und Orientierung und engagierte fachliche Beratung zur beruflichen Anerkennung und den weiteren Perspektiven zu geben. Dabei ist stets wichtig, dass unterschiedliche Wege und Handlungsempfehlungen beleuchtet und auch Empfehlungen ausgesprochen werden.
Das Beratungspersonal berät persönlich zu den gesetzlichen Anerkennungsverfahren von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen, benennt die zuständigen Anerkennungsstellen, erläutert die jeweils notwendigen Unterlagen und hilft beim Ausfüllen von Formularen. Auftretende Fragen werden klar beantwortet, über entstehende Kosten und mögliche finanzielle Unterstützungen wird informiert.
Alternativen ausloten
Das Anerkennungsverfahren macht aber nicht für jede beratene Person Sinn. Die individuell unterschiedliche Relevanz einer Anerkennung wird zuvor geklärt. Im Verlauf der Beratung kann sich auch herausstellen, dass alternative Wege besser sind, um eine Arbeit entsprechend der eigenen Qualifikation zu finden.
Das kann beispielsweise eine berufliche Qualifizierung, die Selbstständigkeit oder der Erwerb eines deutschen Abschlusses über die sogenannte Externenprüfung sein. Auch hier gibt das Beratungspersonal erste Unterstützung.