Geht nicht, gibt`s nicht

Bäckerei Kanne

Vanillekipferl, Spekulatius und Stollenkonfekt wechseln sich auf den Blechen ab, die auf mehreren Wägen darauf warten, in die Filialen gebracht zu werden. Die Schokoliermaschine läuft auf Hochbetrieb – auch die Dominosteine müssen fertig werden. Obwohl es die ruhigere Tagesschicht ist, herrscht geschäftiges Treiben; wie es hier in der fürs Bäckereihandwerk so entscheidenden Nachtschicht so zugeht, kann man nur erahnen.

Und hier treten also Geflüchtete mit wenig Sprachkenntnissen ihre Ausbildung oder Studentinnen aus Indonesien ihr Praktikum an? Darüber wie das gelingt und wie diese Vielfalt zu einem traditionsbewussten Familienunternehmen passt, haben wir uns mit Hannah Kanne unterhalten.

Frau Kanne, Ihre nächsten zwei Auszubildenden sind aktuell noch gar nicht in Deutschland – was steckt dahinter?

Ja, das stimmt. Zwei junge Männer aus Marokko haben sich bei uns für eine Bäckerlehre beworben. Ihre Bewerbungen waren sehr vielversprechend, weshalb wir gerade dabei sind, die Bedingungen dafür zu klären, dass sie zu uns kommen können. Zum Beispiel müssen wir ihnen eine Wohnung stellen, sowas hatten wir bisher noch nie. Aber auch das kriegen wir gelöst.

So wie Sie es darstellen, klingt es ganz selbstverständlich…

Ist es für uns auch. Wenn sich jemand bei uns bewirbt, ist für uns zunächst die Motivation ausschlaggebend. Im Gespräch mit jungen Leuten sage ich immer „Wenn ihr wirklich bei uns arbeiten wollt, finden wir immer einen Weg.“ Wir sehen als erstes den Menschen in den Bewerber*innen, alles andere ist erstmal sekundär – das war schon immer so. Und wer schon vor 30 Jahren kulturell vielfältig eingestellt hat, der scheut sich auch heute nicht, Personal aus dem Ausland einzustellen oder Geflüchteten einen Ausbildungsplatz zu geben.

Würden Sie also sagen, es ist eine bewährte Strategie?

Also es ist nicht so, dass wir zuerst ein Konzept erarbeitetet hätten und dann gesagt hätten „Jetzt sind wir in der Lage, einen Geflüchteten einzustellen.“ Wir sind prinzipiell so eingestellt, dass wir immer erstmal machen und nicht Gründe suchen, warum etwas vielleicht problematisch werden könnte.

So war es auch, als wir vor vier Jahren die Anfrage bekamen, ob wir Praktikumsplätze für Studentinnen aus Jakarta anbieten möchten. Natürlich ist das erstmal eine Herausforderung: Unser Personal in der Backstube spricht kein fließendes Englisch, die Indonesierinnen kein Deutsch. Aber die offene Grundhaltung der Unternehmensführung überträgt sich auch auf die Mitarbeitenden und wenn die Praktikantinnen eine Woche hier sind, haben die die Verständigung in der Backstube schon untereinander gelöst. Der Bäcker spricht mit Händen und Füßen Englisch und die Praktikantinnen grüßen alle mit einem breiten Lächeln und mit „Mahlzeit!“

Die Praktikantinnen sind dann aber in der Regel nach einer kurzen Zeit wieder weg. Wie sieht es bei denjenigen aus, die Sie längerfristig in den Betrieb integrieren möchten, zum Beispiel bei den Auszubildenden mit Fluchthintergrund?

Aus der Kooperation mit der Universität in Indonesien haben wir als Unternehmen viel gelernt: Die Belegschaft war bereit umzudenken und sich darauf einzulassen. Das Experiment hat gezeigt, dass der Spruch „Geht nicht gibt’s nicht“, der hier seit Generationen gilt, auch an dieser Stelle zutreffend ist. Hindernisse, egal ob sie sprachlicher Natur sind oder dass kein Schulabschluss vorliegt, sind für uns erstmal kein Thema, wenn wir in den Menschen den Willen sehen, sich hier einzubringen. Und das ist bei unseren Mitarbeitenden mit Fluchtgeschichte absolut der Fall.

Ich weiß noch, wie ich Love damals im Foyer kennengelernt habe, sie kam aus Ghana, hatte keine Papiere, sprach nur gebrochenes Englisch. Aber sie wollte unbedingt arbeiten. Erst hat sie bei uns gejobbt, nachher ist sie in die Ausbildung gegangen. Nun ist sie fast fertig und freut sich, eine Perspektive zu haben – und als Bäckerin ihren fünf Kindern die besten Geburtstagstorten backen zu können.

Oder Sayed, der seine Familie im Syrienkrieg verloren hat, und dem wir erst einen Job, dann eine Ausbildungsstelle gegeben haben. Wir haben ihm geholfen, eine Wohnung zu finden, dann fand er Anschluss im Fußballverein. In der Ausbildung haben wir sein künstlerisches Talent erkannt und ihn in der Konditorei eingesetzt. Inzwischen ist aus dem schüchternen jungen Mann ist ein selbstbewusster, voll integrierter und zufriedener Mitarbeiter geworden – das zu sehen macht mich natürlich stolz und glücklich.

Was braucht es denn – neben der richtigen Unternehmensphilosophie – dafür, dass das gelingt?

Man muss sich selbst, dem Unternehmen und der Belegschaft – aber auch den Bewerber*innen – etwas mehr zutrauen und nicht zu viel Respekt vor dem nächsten Schritt haben. Und ich kann nur dazu raten, sich gut zu vernetzen. Die Azubis werden ja mit Formularen bombardiert, damit kann man sie nicht alleine lassen – ich glaube, ich hätte als junger Mensch in einem fremden Land bei so viel Bürokratie kapituliert. Aber auch Unternehmen sollten sich nicht scheuen, bei entsprechenden Stellen anzurufen und nach Tipps und Hilfe zu fragen.

Welche Vorteile für Ihr Unternehmen sehen Sie denn – neben dem beheben des Fachkräftemangels – in der kulturellen Vielfalt Ihrer Belegschaft?

Wir merken, dass die Vielfalt das ganze Team sensibilisiert hat: Hier hat quasi jede*r seine*ihre eigene Geschichte, da machen wir keine Unterschiede, und dann ist da der eine, da weiß man, der braucht einen Raum, wo er beten kann, bei einem anderen bekommen wir mit, dass er die Fastenzeit einhält. Je vielfältiger diese Bedürfnisse und Eigenschaften geworden sind, desto größer ist die Akzeptanz im Team geworden – nicht nur für kulturelle Vielfalt, sondern für das „Verschiedensein“ insgesamt.

Zeigt auch die Kanne-Kundschaft diese Akzeptanz?

Ja, auf jeden Fall. Unser Verkaufspersonal ist so vielfältig wie die Gesellschaft: Männer, Frauen, Kopftuch, Tattoos und Piercings, verschiedene Hautfarben, unterschiedliche Altersgruppen… Ich sehe das als Vorteil, denn die Kundschaft findet sich selbst in unserer Belegschaft wieder. Hin und wieder mal gibt es auch Kund*innen, die das nicht gut finden – aber die müssen dann schlicht woanders einkaufen gehen.

Wir stehen 100prozentig hinter unseren Mitarbeitenden, so wie sie sind. Bei solchen Kundenbeschwerden sind es zuallererst die Teams in unseren Filialen, die zu ihren Kolleg*innen halten – auf diesen Zusammenhalt sind wir stolz.

Die Traditionsbäckerei Kanne verbindet auf ihrem Firmengelände in Lünen Elemente einer klassischen Handwerksbäckerei mit modernen Unternehmenskonzepten. Gegründet 1904 beschäftigt das Unternehmen heute rund 400 Mitarbeitende auf rund 4500 qm Produktionsfläche und 27 Filialen mit Cafés in Lünen, Selm, Oberaden, Werne, Dortmund und Kamen.

Bäckerei Wilhelm Kanne GmbH & Co. KG

Im Geistwinkel 40, 44534 Lünen

Telefon: 0049 2306 756600

E-Mail: info@baeckerei-kanne.de

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